Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt
wie Joel und Milena winkten. »Nie«, sagte Pirinen. »Vergiss sie.«
Aber Joel wollte Milena nicht vergessen. Und er wusste auch, dass es nicht stimmte, was Pirinen gesagt hatte. Der ärgerte die anderen manchmal gern.
Von Liberia ging es nach Narvik. Joel hatte beschlossen, Ende Januar abzumustern. Da hatte er fast tausend Kronen gespart. Es war Zeit für einen Besuch bei Samuel. Aber als sie in Narvik ankamen und die Wärme in Afrika nur noch eine ferne Erinnerung war, wartete dort ein Brief auf ihn. Die Telegrafistin gab Joel den Brief, nachdem er gerade das Frühstücksgeschirr abgewaschen hatte. Er sah, dass es ein Brief von Samuel war. Seine unregelmäßige Handschrift kannte Joel genau.
Er ging in seine Kajüte, legte sich in die Koje und öffnete den Brief. Er war sehr kurz. Nicht viele Wörter. Aber Joel würde sie nie vergessen.
Joel
Hoffentlich geht es dir gut auf der Alta. Ich hoffe, die Reise nach Afrika ist ein Erlebnis gewesen. Jetzt ist es das Beste, wenn du nach Hause kommst. Du erinnerst dich sicher daran, dass ich im Sommer Magenschmerzen hatte. Das ist jetzt schlimmer geworden. Man kann nicht wissen, was daraus wird. Deshalb ist es das Beste, wenn du nach Hause kommst.
Samuel
Joel spürte, wie es ihm einen Stich versetzte. Samuel war also krank.
Er erinnerte sich daran, was er im Hotel gedacht hatte, als Samuel aus dem Krankenhaus zurückgekommen war. Vielleicht muss Samuel sterben.
Er merkte, wie ihn Panik überkam. Er musste auf der Stelle zu Samuel fahren. Er konnte nicht mehr warten. Aber er konnte das Schiff und die Arbeit nicht einfach so verlassen. Es gab Regeln, wie lange im Voraus man sein Seefahrtsbuch abgeben und mitteilen musste, dass man abmustern wollte. Ich muss mit jemandem sprechen, dachte er. Pirinen? Er wird es nicht verstehen.
Joel stand auf. Er wollte mit dem Kapitän sprechen. Kapitän Häkansson. Der war oft barsch und schlecht gelaunt. Aber das half nichts. Joel verließ die Kajüte und stieg die Treppen zur Brücke hinauf. Wenn der Kapitän nicht an Land war, hielt er sich bestimmt in seiner Kajüte auf. Joel klopfte an die Tür. »Herein.«
Joel öffnete. Kapitän Häkansson saß am Tisch und schrieb.
Er sah Joel mit gerunzelter Stirn an.
»Ich hab zu tun«, sagte er.
Joel merkte, dass er gleich anfangen würde zu weinen. »Es geht um meinen Vater«, sagte er. »Er ist sehr krank.« Er streckte den Brief vor. Kapitän Häkansson winkte ihn zu sich. Dann sah er ihn an. Joel spürte, dass er Tränen in den Augen hatte. »Es steht im Brief«, sagte er.
»Ich möchte den Brief nicht lesen«, antwortete der Kapitän. »Aber ich sehe dir an, dass du die Wahrheit sagst.« »Ich muss nach Hause«, sagte Joel.
Der Kapitän nickte. »Ich bring das in Ordnung.«
Er stand auf. »Ich werde mit dem Steward und der Telegrafistin reden. Mach dich bereit. Du kannst schon heute fahren.«
»Danke«, sagte Joel.
»Ich hab nur Gutes über dich gehört«, sagte der Kapitän.
»Du machst deine Arbeit gut. Nie Probleme.« Er nickte zur Tür.
Das Gespräch war beendet.
Am selben Abend nahm Joel den Nachtzug nach Schweden.
13
An einem späten Winterabend stieg Joel aus dem Zug. Es war sehr kalt. Das Thermometer, das an der Wand des Bahnhofs hing, zeigte 31 Grad unter Null. Joel zog den Schal über Mund und Nase. Er war der Einzige, der ausgestiegen war. Der Bahnhofsvorsteher gab dem Zug das Zeichen zum Abfahren und verschwand in der Wärme des Bahnhofs. Joel war ganz allein. In Narvik hatte er sich einen Seesack gekauft. Darin steckten seine Kleider und die Geschenke, die er in Liberia gekauft hatte.
Er setzte sich in Bewegung, ging den alten Weg zum Fluss hinunter. Wie viele Male er diesen Weg gegangen und entlanggeradelt war, wusste er nicht. Dennoch war es, als ginge er ihn zum ersten Mal.
Er hatte es eilig. Während der langen Reise von Narvik war die Sorge ständig gewachsen. Samuels Brief hatte er mindestens hundert Mal gelesen. Um es zu begreifen. Er hatte sich vorzustellen versucht, dass Samuel betrunken war, als er den Brief schrieb. Betrunken und einsam, die Küche voller Töpfe mit angebrannter Grütze. Jetzt musste Joel nach Hause kommen und aufräumen und abwaschen.
Aber Samuel hatte nie einen Brief geschrieben, wenn er betrunken war. Stattdessen versuchte Joel sich einzureden, er habe übertrieben. Vielleicht war es gar nicht so schlimm. Manchmal bildete Samuel sich ein, er sei kränker, als er war.
Im tiefsten Innern wusste Joel es jedoch. Er hatte es
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