John Sinclair - 0977 - Liliths grausame Falle (2 of 2)
denn Charlotte war diejenige, die Lilith am meisten liebte. Mehr als uns. Sie ging ihren eigenen Weg, mehr kann ich dir nicht sagen.«
Sollte ich ihr glauben? Ich verschluckte meine Fragen. Stattdessen blickte ich ihr ins Gesicht. Ich versuchte herauszufinden, ob sich der Ausdruck verändert hatte, ob festzustellen war, ob sie log oder nicht.
Es war nicht möglich, aber ihre Worte hatten mich trotzdem aufgerüttelt. Mochte Coco sein, wie sie wollte, ich konnte einfach nicht glauben, daß sie so dicht in Liliths Nähe stand wie die mir persönlich unbekannte Charlotte. Sie war eine Mitläuferin, sie hatte möglicherweise nur an Liliths Dunstkreis gerochen, mehr auch nicht. Sie wollte natürlich hinein, aber dazu gehörte mehr, viel mehr, und sie war noch nicht reif genug. Vielleicht setzte ihr auch das eigene Gewissen noch zu stark zu, aber wer konnte das schon sagen?
Ich ließ sie los.
Es sah so aus, als würde sie zusammensacken und zwischen mir und der Theke liegenbleiben. Sie rutschte auch in die Knie, aber nur, um etwas durchzuführen, was sie schon seit langem vorgehabt hatte.
Ich sah die Bewegung, aber ich überriß sie im ersten Moment nicht. Jedenfalls hatte Coco ihre rechte Hand unter das Jackett geschoben, riß sie blitzschnell wieder hervor, und ich blickte mit Entsetzen auf Janes Beretta.
Ich sprang zurück. Cocos Arm drehte sich.
Auch meine Hand rast zur Waffe, aber ich wußte schon in der Bewegung, daß ich zu spät war. Ich konnte nur auf einen Fehlschuß hoffen. Dann knallte es!
*
Einen winzigen Moment zuvor hatte ich mich noch zur Seite geworfen, weil ich einsah, daß ich meine Waffe nicht mehr rechtzeitig genug gezogen bekam.
Gerettet hätte mich das wohl nicht, denn eine Kugel ist einfach zu schnell. Geschossen hatte auch nicht Coco, sondern Suko. Das bekam ich mit, als ich auf dem Boden lag, noch aufgestützt, in gleicher Höhe mit Coco, die nicht umfiel, weil ihr der Tresen den nötigen Rückhalt gab. Sie stand auch nicht. Coco hatte aus ihrer halb gebückten Haltung gefeuert, und jetzt war sie wieder zurückgesackt.
Sie saß auf dem Boden, schlaff und trotzdem starr, wie eine Puppe, die nicht wußte, für welche Haltung sie sich entscheiden sollte.
Suko hatte ihren Oberkörper getroffen. An der rechten Seite war sie erwischt worden.
Der Treffer hatte ihr auch die Kraft aus dem Körper gefegt. Der rechte Arm war nach unten gesunken. Die Faust hatte sich geöffnet. Jetzt glitt die Beretta über die Handfläche hinweg zu Boden.
Ich kam nicht dazu, mich bei Suko zu bedanken, denn plötzlich – nach der Schocksekunde – war die Hölle los. Die anderen Gäste waren aus ihrer Lethargie erwacht. Liliths Zauber zählte nicht mehr.
Es war geschossen worden, das hatte sie wieder zurück in die Realität geholt, und jede Person, die hier war, versuchte so rasch wie möglich den Ausgang zu erreichen. Sie rannten in die gleiche Richtung. Begleitet und eingehüllt von ihren eigenen Schreien, als wollten diese sie überholen.
Keiner von uns hielt sie auf. Suko sorgte nur dafür, daß er ihnen nicht im Weg stand.
Ich kniete bereits vor Coco. Deren Kopf war nach vorn gesunken. Ich legte zwei Finger unter ihr Kinn, hob den Kopf wieder an, fühlte nach der Schlagader und spürte, daß diese Frau nicht tot war.
»Einen Arzt, Suko!«
»Schon unterwegs.«
Hinter der Theke stand das Telefon. Suko tippte die Notrufnummer.
Ich steckte Janes Beretta ein. Wie tief die Kugel saß, wußte ich nicht. Jedenfalls war sie nicht wieder am Rücken herausgetreten.
Suko streckte mir die Hand entgegen. Ich nahm sie und ließ mich hochziehen. Bevor ich etwas sagen konnte, winkte er schon ab. »Kein Wort über den Schuß.«
»Warum nicht?«
»Weil ich weiß, was danach kommt.«
»Du hast gut gezielt.«
»Dafür bin ich bekannt. Wir können uns jetzt nur die Daumen drücken, daß sie auch durchkommt. Die weiß mehr, John. Davon bin ich überzeugt.«
Ich schwieg mich aus. Das Lokal war plötzlich leer. Jetzt kam mir die Hintergrundmusik lauter vor.
Die Anlage fand ich hinter der Theke. Ich ging dorthin und stellte sie ab.
Dann führte mich mein Weg zur Tanzfläche. Ich wollte herausfinden, ob es mir noch gelang, das Gesicht zu vertreiben oder zu zerstören, vielleicht auch zu bannen.
Ich selbst sah lächerlich aus, wie ich als einzelne Person auf der Tanzfläche stand und gegen sie oder in sie hineinstarrte.
Da gab es nicht mehr viel zu sehen. Nur eine völlig normale, dicke Glasfläche, denn das
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