John Sinclair - 0978 - So jagten wir Shimada
und sein Rücken wies gegen das Mauerwerk.
Dann sprang er nach hinten.
Es hätte normalerweise keinen Sinn ergeben, aber bei Shimada war alles anders. Er prallte nicht gegen die Mauer, und er wurde auch nicht nach vorn geschleudert, denn da gab es keinen Widerstand. Die Festung war ein Teil seiner Person. Sie gehörte zu ihm wie seine Augen, die Beine und die Arme.
Deshalb wischte er hindurch. Das Mauerwerk umschlang ihn und gab ihm die nötige Deckung.
Es schloß sich.
Yakup, der ebenfalls zu einem langen Sprung angesetzt hatte, kam um den berühmten Bruchteil der Sekunde zu spät. Er schaffte es auch nicht mehr, seine eigene Waffe einzusetzen. Noch in der Bewegung hatte er einen schnellen Stoß ausgeführt, aber die Spitze der Klinge war nur in die Luft hineingeglitten.
Auf dem etwas glatten Boden rutschte auch ein Unsichtbarer aus. Aber der Ninja fing sich. Er beherrschte seinen Körper. Sehr dicht stand er vor der verdammten Mauer, hinter der sich Shimada feige zurückgezogen hatte. Er wußte auch, daß so etwas zur Taktik eines Kämpfers wie Shimada gehörte. Er arbeitete mit allen Tricks, er würde sicherlich beim nächsten Angriff anders vorgehen und sich vielleicht sogar Eva Karman als Geisel nehmen.
Etwas wischte aus dem Mauerwerk hervor. Es schimmerte für einen Moment auf, dann war es wie ein drehender Blitz nach außen gerast – und traf sein Ziel.
Der Wurfstern bohrte sich in den Körper des Ninja, der nicht sichtbar aber nicht unverletzbar war.
Yakup spürte den Schmerz in bösen Stichen. Er hatte für einen Moment die Übersicht verloren.
Da erwischte ihn der zweite Wurfstern.
Und der bohrte sich in seinen Magen. Er war so hart geschleudert worden, daß er seinen Weg tief in den Körper Yakups fand. Der tapfere Kämpfer war gestoppt worden. Er lag nicht auf dem Boden, aber er war schwer verletzt, und er mußte sich auf sein Schwert stützen, um nicht zu fallen.
Die Festung tanzte vor seinen Augen. Nur bewegte sie sich nicht selbst. Es war einfach die Schwäche, die über Yakup gekommen war und ihm dies vorgaukelte.
Verloren? Habe ich den Kampf verloren …?
Er wollte es nicht wahrhaben, aber er konnte die Gedanken auch nicht zurückdrängen. Es kostete ihn schon eine übermenschliche Energie, sich auf den Beinen zu halten. Die beiden Wunden bluteten. Der Lebenssaft rann auch weiterhin aus ihnen und näßte Yakups Kleidung. Einen bestimmten Punkt wollte er nicht erreichen. Er hatte vorhin eine kleine Mulde gesehen, deren Ränder von dürrem Buschwerk umwachsen waren.
Yakup stolperte darauf zu. Er kämpfte sich bis an den Rand vor, wo er für einen Moment stehenblieb.
Dann kippte er nach vorn. Die dürren Zweige brachen teilweise ab, als er in die Mulde hineinrollte und dort liegenblieb …
*
Yakup hatte sich gedreht. Er lag jetzt auf dem Rücken. Er war noch nicht tot, aber die Krone der Ninja hatte er vom Kopf genommen und war wieder zu seinem sichtbaren Menschen geworden.
Der Schmerz wühlte an zwei verschiedenen Quellen, und die entstehenden Schmerzwellen trafen sich in der Mitte, so daß Yakup den Eindruck hatte, allmählich zu verbrennen und nebenbei noch zu verbluten.
Jemand wie er gab nicht auf. Vor allen Dingen dann nicht, wenn er etwas besaß, das er ebenso in Ehren hielt wie sein Schwert oder die Krone.
Es waren die Handschuhe.
Die heilenden Handschuhe eines Shaolin-Mönchs, die ihm vor Jahren vermacht worden waren. In ihnen steckte eine starke Magie, und er war in der Lage, durch diese Handschuhe Verletzungen oder Wunden zu heilen. Wenn er sie überstreifte und seine Wunden mit den Händen bestrich, würden sie die Verletzungen heilen.
Es hörte sich alles einfach an, aber es war für ihn auf keinen Fall so leicht, denn wohl fühlte sich Yakup nicht. Die beiden Sterne hatten ihn tief getroffen.
Er war kein Übermensch und schwankte schon auf dem schmalen Grat zur Bewußtlosigkeit.
Die Handschuhe brauchte er. Nur nicht bewußtlos werden, auch wenn sich der Himmel über ihm drehte und die Schwäche von Sekunde zu Sekunde zunahm.
Er kämpfte. Er schob seine rechte Hand in eine Falte seiner Kleidung. Er spürte dabei sein eigenes Blut, das wie Schmiere an seinem Handgelenk entlangglitt, aber seine Finger schafften es, den ersten Handschuh zu ertasten.
Er brauchte nur einen Überstreifen, dann die Wunden berühren, damit sie heilten. Er wollte Shimada den Triumph seines Todes nicht gönnen. Nicht auf diese so simple Art und Weise und ohne etwas dagegen
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