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John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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jeder fromme Muslim zumindest einmal in seinem Leben unternehmen soll.
    Bei der Erwähnung des Hadsch verschwand das spöttische
Lächeln von Achmeds Gesicht. »Inschallah, Jalal«, gab er ehrfürchtig zurück. So Allah will.
    »Inschallah«, erwiderte Wells. Die Kämpfer der Taliban und der Al-Quaida-Zellen nannten ihn Jalal. Diesen Namen hatte er vor ein paar Jahren angenommen, als er als erster Kämpfer aus dem Westen seine Ausbildung in einem Al-Quaida-Camp in der Nähe von Kandahar abgeschlossen hatte. Kaum ein Dutzend Männer kannten seinen richtigen Namen. Einige nannten ihn hinter seinem Rücken Ameriki, den Amerikaner, aber nicht viele wagten es, ihn mit diesem Namen anzusprechen. Die meisten der jüngeren Rekruten wussten nicht einmal, dass er Amerikaner war.
    Wie sollten sie auch?, fragte sich Wells. Nachdem er seit Jahren in Afghanistan und Tschetschenien im Dschihad gekämpft hatte, sprach er fehlerfrei Arabisch und Paschtun. Zudem trug er einen langen Bart, und seine Hände waren von Schwielen übersät. Auch in seinen Reitkünsten stand er den Einheimischen kaum nach – vor allem, wenn man bedachte, dass niemand so gut reiten konnte wie ein Afghane –, und er spielte Buskaschi, das hier so beliebte wilde Polospiel, ebenso hart wie sie. Darüber hinaus betete er mit ihnen. Durch all dies hatte er bewiesen, dass er hierhergehörte, zu diesen Männern.
    Zumindest hoffte er das. Was Bin Laden und die anderen hochrangigen Anführer der Al-Quaida wirklich von ihm hielten, wusste er nicht. Vermutlich würde er das auch nie erfahren. Vor allem jetzt, wo sein Land gegen ihres Krieg führte. Um seine Zugehörigkeit endgültig unter Beweis zu stellen, müsste er für sie sterben, und das hatte er nicht vor.
    Wieder lief Wells ein Schauer über den Rücken, doch diesmal kam die Kälte von innen. Genug Überlegungen. Er warf einen Blick zu seinen sechs Männern hinüber, die mit über
die Schulter gehängten Kalaschnikows in der Dunkelheit leise miteinander redeten. Drei von ihnen waren Afghanen, die übrigen drei Araber; unter dem Druck des Krieges waren die Taliban und die Al-Quaida-Kämpfer näher zusammengerückt als je zuvor. Als geborene Geschichtenerzähler unterhielten sie sich üblicherweise angeregt und lautstark. Im Einsatz war Wells alles andere als gesprächig, was seine Soldaten respektierten. Im Kampf gestählt und trotzdem einigermaßen freundlich, befolgten sie seine Befehle schnell und ohne Fragen zu stellen. Mehr konnte sich ein Anführer nicht wünschen. Was ihnen heute Nacht bevorstand, war bedauerlich, mehr als bedauerlich sogar, aber dagegen war nichts zu machen.
    Im Süden zerriss ein greller Blitz die Nacht. Dann noch einer und noch einer.
    »Sie haben wieder begonnen«, sagte Achmed. Dreißig Kilometer südlich bombardierten die Amerikaner die afghanische Hauptstadt Kabul. Bisher hatten sie die Schamali-Ebene ignoriert, jenes flache Gelände nördlich von Kabul, auf dem einander die Taliban und die Rebellen der Nord-Allianz gegenüberstanden, mit denen die USA seit dem 11. September Freundschaft geschlossen hatten.
    Wells hatte mit seinen Männern am Rand der Ebene in einem namenlosen Dorf campiert, eigentlich nur einer kleinen Ansammlung von Hütten, von wo aus sie das Gelände weithin überblicken konnten. Im Norden und Westen waren sie durch die Berge geschützt, und darüber hinaus waren sie zu Pferd unterwegs anstatt in den Toyota-Pickups, die bei den Taliban so beliebt waren. Hier oben würde sie niemand behelligen, während sie gleichzeitig mühelos die Ebene unter sich überwachen konnten. Allerdings hatte sich Wells auch noch aus einem anderen Grund für diesen Ort entschieden,
von dem seine Männer nichts wussten. Mit ein wenig Glück lagerte im nächsten Dorf nördlich von ihnen eine Spezialeinheit der US-Armee.
    »Die Angriffe sind heftiger heute Nacht«, bemerkte Achmed, während die zuckenden Blitze weiterhin die Nacht erhellten.
    »Nam.« Ja. Um vieles heftiger. Nach einem Monat Schattenboxen waren die USA zum echten Angriff auf Kabul übergegangen. Für die Taliban war dies ein schlechtes Zeichen, denn sie litten immer noch unter dem Zusammenbruch der Verteidigungsstellungen im Norden. Vermeintlich uneinnehmbare Städte waren nach einem amerikanischen Bombenhagel von nur wenigen Tagen gefallen.
    Heute Nacht jedoch würden die Taliban der Nordallianz eine Überraschung bereiten. Wells spähte nach Süden, wo eine von Spurrillen gekennzeichnete Straße von Kabul auf die

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