JoJo Und Ich
zuzuwinken. Dabei bewegte ich meine Hand wie die Flosse eines wegschwimmenden Delfins. JoJo fing dann sofort an zu glucksen, wurde langsamer, senkte den Kopf ins Wasser und stellte sich quer zwischen mich und den Strand, um mich aufzuhalten.
Um aus dem Wasser zu kommen, musste ich ihn dann manchmal direkt zur Seite schieben. Da ich die Schrammen, die er anderen beigebracht hatte, noch deutlich vor mir sah, benutzte ich dazu wie überhaupt bei allen Kontakten nie meine Hände, sondern drückte mit dem Bein und sprang dann schnell vorbei, wenn er auswich. Das war der einzige Anlass, bei dem eine Berührung von mir ausging, anders ließ es sich einfach nicht machen. Sonst aber war es immer JoJo, der den Kontakt initiierte. So vertiefte sich unser gegenseitiges Verständnis, und das lief vorwiegend über Blickkontakt und Körperbewegungen. Darüber hinaus jedoch konnte ich mich immer wieder nur wundern, wie prompt er auf alle meine Gedanken reagierte.
Mit JoJo an meiner Seite führte ich ein friedliches Leben. Und aufgrund meiner Beziehung zu ihm brachte ich es auf dieser kleinen abgelegenen und vom Getümmel der Welt unberührten Inselgruppe sogar zu einer gewissen Bekanntheit. Das hatte freilich auch seine Schattenseiten. Einerseits fiel es mir unter diesen Umständen leichter, auf die Bedürfnisse wild lebender Delfine aufmerksam zu machen und für den Schutz ihres Lebensraums zu sorgen, andererseits aber wurden dadurch auch Interessen geweckt, die der Sache ganz und gar nicht dienlich waren. Offenbar gab es doch tatsächlich Leute, die aus JoJo ein Geschäft machen wollten! Deshalb gab ich bald keine Auskunft mehr, wenn ich gefragt wurde, wo er zu finden sei.
Den daraus entstehenden Spannungen konnte ich mich schließlich nur noch durch den konsequenten Rückzug in mein Haus entziehen. Ich schrieb viel, sprach aber mit niemandem mehr über meine Schwimmausflüge mit JoJo und die Fortschritte, die unsere Kommunikation machte. Darüber hinaus beherzigte ich einen Ratschlag meiner Eltern, die oft gesagt hatten, beim Schwimmen im flachen Wasser wirke das Licht heilend und tröstend. JoJo schien um meine Niedergeschlagenheit zu wissen, jedenfalls fand er immer etwas, womit er mich aufmuntern konnte, er schnalzte und pfiff, drehte seine schönsten Rollen, schwamm mit mir in weiten Schwüngen und ließ mich immer wieder die Schönheit und den Reichtum dieser erstaunlichen Freundschaft spüren.
G renzen und G renzverletzungen
S chon seit etlichen Monaten bemerkte ich an JoJo ein paar Dinge, die mich nicht nur neugierig machten, sondern auch eine gewisse Besorgnis bei mir auslösten. Nach einer besonders kommunikativen Phase war er einige Male plötzlich und ohne jede Vorwarnung verschwunden. Er konnte dann sehr schnell wieder da sein, aber ich hatte keine Ahnung, was er in der Zwischenzeit machte. Vor dem Verschwinden sandte er weder Ortungslaute in die Ferne noch zeigte sein Verhalten einen Interessenswandel an.
Ich versuchte ihm nachzuschwimmen, konnte aber immer nur eine kurze Strecke mithalten, bevor er sich im Meeresblau verlor. Ein paar Minuten später war er dann meistens wieder da und machte genau da weiter, wo er zuvor aufgehört hatte. Das Einzige, was diese Unterbrechungen immer gemeinsam hatten, bestand darin, dass er nach dem erneuten Auftauchen manchmal der Ruhe pflegte.
Bei diesem Verhalten blieb es. Ich hatte schon öfter eine kaum merkliche Schluckbewegung an seiner Kehle wahrgenommen, und jetzt fiel mir auf, dass diese Kontraktionen immer deutlicher wurden, insbesondere wenn JoJo mich verließ und ich ihm nachschwamm. Er öffnete das Maul dann sehr weit, als gähnte er, doch in Wirklichkeit schluckte er nur große Mengen Wasser. Wenn er das Maul dann wieder schloss, schwoll sein Hals an wie bei einem Pelikan mit gefüllter Schna beltasche. Davon abgesehen, fiel mir aber nichts Unnormales an seinem Verhalten auf.
»JoJo, du siehst aus, als wolltest du einen Kugelfisch nach machen«, sagte ich und blies die Backen auf. »Möchtest du etwa zum Fisch mutieren?«
Ein Seitenblick streifte mich, der zu sagen schien, ich solle lieber bei meinem Job bleiben und nicht versuchen, unter die Komiker zu gehen. Dann schwamm er davon.
Eines Tages sah ich ihn wieder einmal große Mengen Meerwasser schlucken. Nach einigen Kontraktionen öffnete er das Maul sperrangelweit und würgte eine beachtliche Wolke Kno chen und Fischteile aus, wohl die Überreste seiner letzten Mahl zeiten. Ich dachte schon, ihm sei schlecht
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