JoJo Und Ich
auslief, in der alte Korallenbrocken und Muschelschalen zusammengespült waren. Nicht weit dahinter lag die Riffbarriere mit ihren gelblichbraunen Elchgeweihkorallen, zylindrischen Hirschgeweihkorallen und zarten Fingerkorallen neben Seefächern in allerlei Farben. Hier löste sich JoJo von mir, und wir schossen in unserem geradezu kindlichen Feuereifer von einem Abschnitt des Riffs zum nächsten, um alles zu untersuchen, was es zu sehen gab. Jenseits der Riffoberkante mit ihren vielfarbigen Seefächern gelangten wir in sehr stille und klare Gewässer, in deren Tiefen sicher auch große Fische lauerten.
Das Riff fiel in einer Böschung zum tiefen Wasser hin ab, und hier waren einzelne Korallengewächse zu sehen. Wir kamen in eine Zone tiefer Sandrinnen zwischen alten Korallenrücken, und darunter lag eine Terrasse, deren sanft abfallende Fläche an einer Abbruchkante endete, hinter der nur noch die dunkelblaue bodenlose Tiefe lag.
»Was meinst du, JoJo, bis hierher und nicht weiter?«, fragte ich und war gespannt, wie er auf den Abgrund vor uns reagieren würde.
Über dem Abbruch zur Tiefsee begann JoJo hektisch vor mir hin und her zu schwimmen und präsentierte die Schwanzflosse, wie ich es kannte, wenn er »halt!« sagen wollte. Er zeigte keinerlei Verhandlungsbereitschaft und ließ mich einfach nicht weiterschwimmen. Dann aber tat er etwas, was ich noch nicht kannte. Er fing an, mich mit der Schnauze sanft in Richtung Riff zurückzubugsieren. Ich verstand sein Verhalten zwar nicht so recht, aber daran nahm ich im Moment keinen Anstoß, so ungewöhnlich und anrührend fand ich es. Ich ließ ihn gewähren. Anschließend schwamm ich erneut auf den Rand der Terrasse zu, aber JoJo war gleich wieder da, legte den Schnabel seitlich an meinen Körper und schob mich zurück. Ich rollte mich zur Seite und fing an zu überlegen, ob mich dieses seltsame Gebaren so weit draußen womöglich in Schwierigkeiten bringen würde.
»JoJo, möchtest du mir etwas sagen? Spürst du eine Gefahr? Oder muss ich mich einfach damit abfinden, dass du bestimmen willst, wohin ich schwimme, du kleiner runder Schieber?«
Sein Blick schien zu sagen, dass ich mir solche Bemerkungen sparen könne: »Warte nur, bis der Hai kommt.«
Vielleicht war es ja wirklich so, dass er mich vor den Räubern in der Tiefe jenseits der Terrasse beschützen wollte.
Als er mich wieder in Richtung Riff zu schieben versuchte, hielt ich eine Hand zwischen mich und seinen Schnabel. Er berührte sie, legte sich dann parallel und schwamm mit meiner Hand an seinem Schnabel los. Ich hielt mich fest. Er nahm mich in Schlepptau! Da schwamm ich neben einem wilden Delfin an der Riffkante entlang, und das mit einer Geschwindigkeit, die meine eigenen körperlichen Möglichkeiten bei Weitem überschritt.
Wir tauchten ab und schossen kurz über dem Boden dahin, ohne aber je die Korallen und Seefächer unter uns zu berühren. JoJo begann eine wunderschöne Melodie zu pfeifen, die ich noch nie von ihm gehört hatte. Ich blickte ihm tief in das braune Auge und sah mich darin gespiegelt. Sein Blasloch hinterließ eine Straße kleiner Blasen, dann ging es wieder aufwärts dem Licht entgegen, während JoJo seine kleine Melodie weitersang.
JoJo tauchte immer gerade so oft auf, wie es für meinen Luftbedarf nötig war, dann ging die Schlepptour weiter – nur leider nicht in die Richtung, in der mich das Tauchboot erwartete. Wohin wollte mich dieser Delfin bringen? Ging es hier vielleicht nach Atlantis?
Auf diese Weise hatten wir vielleicht einen knappen Kilometer zurückgelegt, als JoJo plötzlich mit mir im Schlepp beinahe senkrecht abtauchte. Das Wasser war hier nicht sehr tief; unter mir sah ich Felsgestein, Gorgonien und kleinere Korallengewächse. Als eine kleine Höhle in Sicht kam, machte der Delfin halt. Ich stieg zum Luftholen auf und sah mich um. Tatsächlich, das waren die Höhlen, in denen wir gespielt hatten, bevor JoJo den Unfall hatte, nach dem er verschwunden war. Hatte er sich damals hier verkrochen oder war es einfach sein Spielplatz? Auch jetzt schien er nichts weiter als Spielen im Sinn zu haben, während ich aus dem Staunen nicht herauskam. Was für einen Verstand und was für ein Gedächtnis dieser Delfin doch hatte und wie wichtig bestimmte Orte für ihn waren! Zum ersten Mal hatte er mich abgeschleppt und gleich zu einem Ort, der in seinem Leben eine besondere Rolle spielte. Faszinierend.
Nach einer Stunde Höhlenabenteuer schwamm ich, von JoJo eskortiert,
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