JoJo Und Ich
ich mit meiner Schnorchelausrüstung am Wasser und wartete auf ihn. Aber er kam nicht. In der ersten Woche war ich nicht einmal in der Lage, schwimmen zu gehen.
In der zweiten Woche begann ich die unbewohnten Inseln entlangzuschnorcheln. Aber was waren das für einsame Wasserwanderungen, so ganz ohne meinen Freund! Ständig ging mir im Kopf herum, was alles passiert sein konnte. Wäre ich in der ersten Nacht nach dem Unfall nicht doch besser bei ihm geblieben?
Hatte ich wirklich alles Menschenmögliche für ihn getan? Und wie mochte es ihm jetzt gehen? Darüber konnte ich nur Vermutungen anstellen; zwar war er auch früher schon manch mal nicht zu unserer nachmittäglichen Schwimmstunde erschienen, so lange wie jetzt aber war er noch nie ausgeblieben. Hatte ich ihn nicht richtig angefasst und damit verängstigt? Natürlich konnte es auch sein, dass er die Gegend, in der der Unfall stattgefunden hatte, bewusst mied. Das Schlimmste aber, dass er womöglich dringend Hilfe benötigte, mochte ich mir gar nicht erst vorstellen. Hatte die Blutspur seiner Wunden womöglich die Haie angelockt?
In den ersten zwei Wochen nach dem Unfall vermuteten auf der Insel viele, dass JoJo den Folgen seines Zusammenstoßes mit dem Jetboot erlegen sein könnte. Ich aber wollte diesen Gedanken keinesfalls zulassen. Dass der Delfin durch diesen idiotischen Jetboot-Fahrer zu Tode gekommen sein könnte – undenkbar! Außerdem wusste ja niemand, wo er war, und allein schon deshalb waren alle Mutmaßungen müßig. Tief in mir hatte ich das Gefühl, dass er durchkommen würde. All das Schöne und tief Bedeutsame meiner Schwimmausflüge mit diesem Delfin, der zu meinem Gefährten und besten Freund geworden war, konnte doch nicht so einfach zu Ende sein. Wenn ich an ihn dachte, spürte ich sein Herz schlagen, schwach zwar, aber es gab mir doch die Sicherheit, dass er lebte, wo auch immer.
Vor meinen täglichen Exkursionen im Wasser streckte ich mich normalerweise ein paar Minuten auf dem Anleger aus und genoss die frische Luft. Manchmal sah ich weit draußen ein Segelboot oder einen schnittigen Katamaran vorbeiziehen. Wenn irgendwer JoJo gesehen hatte, dachte ich mir, dann doch sicher jemand, der viel auf See ist, etwa die Fischer, seien sie von hier oder aus der Dominikanischen Republik oder auch aus Haiti. Die Haitianer, die ich auf meinen weiten Schwimmrunden ansprach, konnten kaum Englisch, waren aber immer sehr überrascht, so weit draußen einen Schwimmer anzutreffen. Ich beschrieb ihnen den Freund, den ich suchte, mit den Händen. Die Antwort fiel dann ein ums andere Mal enttäu schend aus: Nein, sie hatten an dem Tag keinen so großen Fisch gefangen, den sie mir verkaufen konnten. Mich schauderte bei dem Gedanken, dass man unter den erbeuteten Hummern und Fischen in ihren Booten sicher auch verbotene Waffen und Harpunen finden würde, mit denen sie meinem Freund JoJo mühelos den Garaus machen konnten.
Am Ende der zweiten Woche stieß ich schließlich auf einen haitianischen Fischer, der mir etwas Hoffnung gab.
»Haben Sie einen einzelnen Delfin gesehen?«, fragte ich wie gewöhnlich und verdeutlichte meine Frage mit den Händen.
»Ja, Delfin«, nickte er eifrig und grinste breit. »Komm, ich zeige.«
Mit meinen Schnorchelsachen schwang ich mich in sein Boot, und gleich ging es weiter in Richtung des äußeren Riffwalls. Kurz davor stellte der Fischer den Motor ab und deutete auf eine langgestreckte Sandbank.
Ich sah gar nicht groß hin, sondern griff nur nach Schnorchel und Maske und sprang auch schon ins Wasser. Er war hier. Ich wusste es. Ich spürte es. Ich steckte die Finger in den Mund und pfiff.
Sekunden später schoss JoJo heran und begann mich mit wilden Freudensprüngen zu umkreisen. Mir stockte das Herz, als ich ihn so begeistert tollen und laute Begrüßungsplatscher hinlegen sah. Seine Verletzungen schienen gut zu heilen, nur das Auge war noch geschwollen.
»Ich sage, Delfin hier. Stimmt, nicht?«, radebrechte der Haitianer und verfolgte mit ungläubigem Staunen die ausgelassene Begrüßungsfeier von Mensch und Tier.
»Danke«, rief ich ihm winkend zu, dann schwammen JoJo und ich Seite an Seite davon. Der Fischer wollte mich zurückwinken, offenbar fühlte er sich dafür verantwortlich, dass ich sicher ans Land zurückkam. Ich gab ihm zu verstehen, er könne mich ganz unbesorgt beim Riff lassen, ich würde es ohne Weiteres bis ans Land schaffen. Das schien er nicht ganz zu glauben, jedenfalls folgte er uns noch eine
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