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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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störte. Mr. Norrell kündigte nur selten an, wann er dieses kleine Zimmer zu benutzen gedachte, aber eine Regel des Haushalts lautete, dass es immer für ihn bereitzuhalten war. Jetzt brannte ein loderndes Feuer im Kamin, und alle Lampen waren entzündet, aber man hatte vergessen, die Vorhänge zuzuziehen, und das Fenster war eine schwarze Fläche, in dem sich das Zimmer widerspiegelte.
    Mr. Norrell setzte sich an den Schreibtisch gegenüber dem Fenster. Er schlug ein dickes Buch auf, eins der vielen auf dem Schreibtisch, und begann eine Zauberformel vor sich hin zu murmeln.
    Eine vom Rost herunterfallende Kohle, ein sich im Raum bewegender Schatten veranlassten ihn aufzublicken. Er sah seine eigene beunruhigte Miene im dunklen Fenster, und er sah jemanden hinter sich stehen – ein bleiches silbriges Gesicht, eingerahmt von einer Mähne schimmernden Haars.
    Mr. Norrell wandte sich nicht um, sondern sprach in bitterem, ärgerlichem Tonfall zu dem Bild im Fenster. »Als du gesagt hast, du würdest die Hälfte des Lebens der jungen Dame nehmen, dachte ich, du würdest ihr gestatten, für die Hälfte der fünfundsiebzig Jahre bei ihren Freunden und ihrer Familie zu bleiben. Ich achte, es würde dann so aussehen, als wäre sie einfach gestorben.«
    »Das habe ich nie gesagt.«
    »Du hast mich getäuscht. Du hast mir überhaupt nicht geholfen. Du riskierst, mit deinen Tricks alles zu zerstören«, rief Mr. Norrell.
    Die Gestalt im Fenster gab einen missbilligenden Laut von sich. »Ich hatte gehofft, Sie bei unserer zweiten Begegnung vernünftiger anzutreffen. Stattdessen verhalten Sie sich mir gegenüber arrogant und aufgebracht. Ich habe mich an die Bedingungen unserer Übereinkunft gehalten. Ich habe getan, worum Sie mich gebeten haben, und nichts genommen, was mir nicht zusteht. Wenn es Ihnen wirklich um das Glück von Lady Pole ginge, würden Sie sich freuen, dass sie jetzt unter Freunden ist, die sie wirklich bewundern und schätzen.«
    »Ach! Was das angeht«, sagte Mr. Norrell verächtlich, »könnte mir nichts gleichgültiger sein. Was bedeutet schon das Schicksal einer jungen Frau verglichen mit dem Erfolg englischer Zauberei? Nein, ihr Mann macht mir Sorgen – der Mann, für den ich das alles getan habe. Dein Verrat stürzt ihn in Verzweiflung. Nehmen wir einmal an, er erholt sich nicht davon. Nehmen wir einmal an, er tritt zurück. Ich werde vielleicht keinen zweiten Verbündeten finden, der so gewillt ist, mir zu helfen. 34 Gewiss wird kein anderer Minister je wieder so in meiner Schuld stehen.«
    »Ihr Gatte, nicht wahr? Nun, dann werde ich ihn in eine hohe Stellung bringen! Ich werde ihn größer machen, als er es aus eigener Kraft je werden könnte. Er wird Premierminister. Oder Kaiser von Großbritannien? Wäre Ihnen das genehm?«
    »Nein, nein«, rief Mr. Norrell. »Du begreifst nicht! Ich will nur, dass er Gefallen an mir findet, mit den anderen Ministern redet und sie davon überzeugt, dass meine Zauberkünste dem Land gute Dienste erweisen.«
    »Es ist mir vollkommen rätselhaft«, erklärte die Gestalt im Fenster hochmütig, »warum Sie die Hilfe dieser Person meiner Hilfe vorziehen. Was weiß er von Zauberei? Nichts! Ich kann Sie lehren, wie man Berge auftürmt und Ihre Feinde darunter zermalmt! Ich kann veranlassen, dass die Wolken singen, wenn Sie sich nähern. Ich kann es Frühling werden lassen, wenn Sie kommen, und Winter, wenn Sie gehen. Ich kann ...«
    »Ach ja! Und alles, was du im Gegenzug willst, ist, die englische Zauberei an deine Launen zu ketten. Du wirst englische Männer und Frauen aus ihren Heimen stehlen und England zu einem Ort machen, an dem sich nur noch deine degenerierte Art wohl fühlt. Der Preis deiner Hilfe ist mir zu hoch.«
    Die Gestalt im Fenster antwortete nicht direkt auf diese Anschuldigungen. Stattdessen hüpfte eine Kerze von ihrem Platz auf einem kleinen Tisch, flog durchs Zimmer, zerschmetterte einen Spiegel an der Wand gegenüber und eine kleine Porzellanbüste von Thomas Lanchester.
    Dann war es still.
    Mr. Norrell saß voller Angst und zitternd da. Er schaute auf die auf seinem Schreibtisch liegenden Bücher, aber wenn er etwas las, dann auf die Art, wie nur Zauberer lesen können, denn sein Blick wanderte nicht über die Seite. Nach ein paar Minuten blickte er wieder auf. Die Gestalt im Fenster war verschwunden.
    Alle Pläne hinsichtlich Lady Pole erfüllten sich nicht. Die Ehe -die für ein paar kurze Wochen beiden Gatten so viel versprechend erschienen war

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