Jones, Diana Wynne
und ich konnte sehen, dass er sehr wütend war, aber er leistete den Eid. So war Vater eben. Er redete nie viel – man nannte ihn nicht umsonst den Zugeknöpften –, aber er sah den Menschen an, was sie im Sinne hatten. Nachdem Hern geschworen hatte, sah Vater Entchen und mich an. »Muss ich euch beide ebenfalls schwören lassen?«
Wir verneinten. Entchen meinte es ernst. Im Laufe dieser Woche, als er die Waffen meines Vaters schärfen musste, hatte er es immer mehr mit der Angst zu tun bekommen. Ich wünschte mir immer noch, dass die Boten am Morgen Zwitt befehlen würden, sich auf die Suche nach Tanaqui der Geißel zu begeben.
So viel zu meinen Wunschträumen. Am nächsten Morgen verließen alle Männer Iglingen – bis auf Zwitt. Zwitt – stellt euch das vor! – wurde krank und konnte nicht mitgehen. Doch wie heißt die Krankheit, die einen Mann am Morgen noch mit Fieber niederstreckt, ihm am Nachmittag aber schon wieder gestattet, Fischen zu gehen? Hern sagt, es handle sich um eine sehr seltene, ungewöhnliche Erkrankung namens Feigheit.
Gemeinsam mit den anderen Leuten aus Iglingen verabschiedeten wir winkend das Heer. Ich glaube, ich mag keine Heere. Sie bestehen aus rund fünfhundert Mann, eine wirklich große Menschenmenge, die in allerlei grobe Wollmäntel gekleidet sind, andere in Pelze oder Leder, sodass sie insgesamt so braun und schuppig aussehen wie getrockneter Flussschlamm. Jeder dieser Männer trägt Taschen und Waffen, Sicheln oder Heugabeln, aber so durcheinander, dass das Heer dadurch wie ein unordentliches Nadelkissen oder ein Stück totes Gras aussieht. An der Seite reitet ein Mann des Königs und ruft immer wieder: »Alles zurück in die Reihe! Links, rechts, links, rechts!« Die Menschenmenge tut, was er sagt, aber weder bereitwillig noch rasch, sodass das Heer davonfließt wie der Strom – braun, träge und einheitlich. Es ist, als verhielten sich die Menschen plötzlich wie Wasser, als wären alle Unterschiede verschwunden! Selbst als wir genau hinsahen, konnten wir Vater und Gull kaum noch erkennen. Sie waren eins geworden mit den anderen. Und während das Heer davonfließt, hinterlässt es einen dumpfen Laut, aufgewirbelten Staub und den Geruch zu vieler, eng aneinander gedrängter Männer, der nicht sehr angenehm ist. Mir wurde davon übel. Robin war ganz weiß im Gesicht. »Gehen wir nach Hause«, schlug Entchen vor. Was Hern betrifft, so glaube ich, dass ihm an diesem Morgen jegliche Lust, in den Krieg zu ziehen, gehörig vergangen war – so wie mir auch.
Zwitt rief uns alle zusammen und sagte, der Krieg werde nicht lange dauern. Voll Zuversicht behauptete er, dass der König die Heiden schon bald besiegen werde. Einem schlechten Mann wie Zwitt hätte ich niemals Glauben schenken dürfen. Es sollten viele Monate verstreichen, bevor wir wieder etwas von unserem Heer hörten.
Das Leben in Iglingen ging weiter, aber es war langweilig und ruhig. Das Herbsthochwasser kam erst spät; es stand niedriger als gewöhnlich und roch schlecht. Jeder glaubte, der Strom sei zornig wegen der Heiden und man begann auch andere Dinge zu reden, von denen wir jedoch erst später erfuhren. Das Hochwasser brachte nicht so viel Treibholz mit wie gewöhnlich, aber es spülte eigenartige Fische ans Ufer, die niemand essen wollte.
Obwohl Tante Zara uns Vieren in keiner Weise half, mussten wir nicht hungern. In unserem Garten wuchs Gemüse, und die Mühle mahlte uns das Korn, das wir auf unserem Acker anbauten. Entchen und Hern fangen immer einen Fisch, und selbst mit geschlossenen Augen findet Entchen noch Muscheln. Den ganzen Winter über legten die Hühner viele Eier, und wir hatten eine Kuh, die uns Milch gab. Das Geld für alles andere war knapp, weil wir erst kurz vor dem Einfall der Heiden einen großen Posten Wolle gekauft hatten, als Zwitt seine Herde scherte. Darum kämmte und spann und färbte ich sie so, wie meine Mutter es Robin und meinem Vater gezeigt und wie sie es wiederum mir beigebracht hatten. Meine Mutter hatte Robin auch zu weben gelehrt. Als sie starb war ich noch zu klein, um es zu lernen, aber Robin hat mich darin angeleitet, und nun verstehe ich mich besser darauf als sie. Genau die Wolle, die ich damals spann, benutze ich nun, um unsere Geschichte zu weben. Während dieses Winters aber fanden wir in Iglingen nur wenige Käufer für meine Webarbeiten. Einige Kinder brauchten dicke Wollmäntel für den Winter, aber hauptsächlich – und am besten webe ich Mäntel für
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