Jordan, Penny
merkte sie, dass noch jemand im Zimmer war, und sie setzte sich auf und blickte zur Tür.
Oliver kam an ihr Bett und sah sie an. Äußerlich war er ihr so ähnlich. Am liebsten hätte Pepper die Arme ausgestreckt und ihn an sich gezogen. Aber sie konnte es nicht. Sie bemerkte den Schmerz in seinem ernsten Blick und eine Ergebenheit in das Schicksal, die er nur von Naomi geerbt haben konnte und die sie mit ihrem unruhigen Geist nie besessen hatte.
Mit Tränen in den Augen erkannte Pepper, dass ihr ein Kind geschenkt worden war, das Verständnis für die menschlichen Schwächen besaß. Mit seiner Kraft und seiner Sanftmut würde Oliver zu einem Mann heranwachsen, der von allen, die ihn kannten, verehrt und geachtet wurde. Und das würden viele sein.
Von Simon Herries hatte er nichts geerbt, auch nicht die Schwäche seiner Mutter. Instinktiv öffnete Pepper die Arme, und er schmiegte sich an sie. Schweigend bildeten sie einen Bund, der tiefer ging als reine Blutsbande.
Wie lange sie eng umschlungen blieben und stumm um die Frau trauerten, die sie beide liebten, wusste Pepper nicht. Endlich machte Oliver sich los und ging so still in sein Zimmer zurück, wie er gekommen war.
Woher hatte er gewusst, dass sie diesen Kontakt zu ihm dringend brauchte? Erneut stand ihr das Gesicht der Großmutter deutlich vor Augen.
Pepper schlief ein und träumte von einem schönen Garten, in dem sie mit jenen Menschen spazieren ging, die sie am meisten liebte. Miles und sie hielten Oliver zwischen sich. Auf der anderen Seite von ihr ging Mary mit Philip. Plötzlich verschwand die goldene Wärme des Gartens, und sie bekam Angst. Irgendetwas bedrohte dieses herrliche Paradies. Dann waren Oliver und sie an einem anderen beängstigenden Ort, und sie sah Naomi erneut. Die Großmutter warnte sie – drängte sie, etwas zu tun. Aber was? Und durch was wurden sie bedroht?
Zitternd wachte Pepper auf und sagte sich, dass der Traum nur ihre Ängste um Mary widergespiegelt hatte.
Aber was war, wenn noch mehr dahintersteckte? Wenn Miles Simon Herries zu Recht fürchtete? Wenn Naomi sie persönlich vor ihm warnte? Nein – daran wollte sie lieber nicht denken …
Pepper wachte früh auf, wie immer, wenn sie bei den Simms war. Das erste Obst begann zu reifen, und nach dem Frühstück ging sie mit Mary hinaus, um Himbeeren zu ernten. Würde Mary noch lange genug leben, um die Marmelade zu essen?
Als könnte Mary ihre Gedanken lesen, berührte sie Peppers Arm und sagte ruhig: „Es wird nicht lange dauern …“
„Du bist so tapfer …“
Weshalb flüsterten sie beide? Niemand konnte sie hören – höchstens der Schatten des Todes.
„Nein … ich habe furchtbare Angst vor den Schmerzen. Es ist jetzt schon schlimm genug.“
„Du wirst Medikamente dagegen bekommen“, versuchte Pepper sie zu beruhigen.
„Ja, aber werden sie reichen?“
Beide schwiegen eine Weile.
„Oliver brauchte neue Kleider – er wächst so schnell“, sagte Mary endlich. „Komm nachher mit, und hilf mir beim Einkaufen. Wir fahren gemeinsam und essen außerhalb zu Mittag.“
Es war ein schöner, wolkenloser Tag, und die Sonne schien von einem herrlich blauen Himmel. Oxford flirrte in der Sommerhitze, und die alten Gebäude schienen beinahe über dem Grund zu schweben.
An solch einem herrlichen Tag war sie damals nach Marchington gefahren.
Marchington … Weshalb muss ich ausgerechnet daran jetzt denken? überlegte Pepper, während sie den Wagen abstellte. Philip war doch nicht mitgekommen, er ging nicht gern einkaufen.
Oliver blieb an Marys Seite, nicht seinetwegen, sondern ihretwegen, merkte Pepper und wurde geradezu überwältigt vor Liebe zu diesem Kind, das sie nicht gewollt hatte. So lange hatte sie nichts von dieser gefühlvollen Seite in sich gewusst, auch nichts von dem Bedürfnis, im Einklang mit der Natur zu leben und Freude aus all dem Schönen zu ziehen, das sie umgab.
„Weil du es dir selbst nicht eingestehen wolltest.“
Naomis Stimme klang so wirklich, dass Pepper auf der Straße stehen blieb und sich umsah. Das Gefühl, die Großmutter so deutlich wahrzunehmen, beunruhigte sie inzwischen nicht mehr, sondern gab ihr Sicherheit. Sie merkte, dass Oliver sie beobachtete, und lächelte ihm aufmunternd zu. Da sah sie, dass er auf etwas hinter ihr blickte. Spürte er Naomis Anwesenheit etwa auch?
Peppers Herz tat einen Sprung. Wie hätte die Großmutter diesen Jungen geliebt. Wie hätte sie ihn umsorgt und ihn unterwiesen.
Ohne sich dessen bewusst
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