Josefibichl
genau, warum ich Sie verfolgt habe, mein lieber Herr Hartinger. Übrigens, bevor ich es vergesse: Sie sind vorübergehend festgenommen wegen Mordverdachts. Aber das haben Sie sich sicher schon gedacht.«
»Ja. Und außerdem wiederholen Sie sich. Sie habenmich schon vor einer halben Stunde festgenommen. Da unten im Forsthaus. Wo ich Ihnen den echten Mörder versandfertig präsentiert habe. Der Ihnen dann einfach davongelaufen ist.«
»Sie können Ihre Häme wieder einpacken. Er ist nicht weit gekommen. Liegt jetzt unten in der Partnach.«
»Na, wenn da mal wieder was von ihm zum Vorschein kommt«, murmelte Hartinger. Er wusste, dass die meisten der armen Teufel, die in die Klamm stürzten, in dem engen Kanal vom Wasser zermahlen wurden. Nur die wenigsten kamen aus den unzähligen Strudeln, Siphons, Wasserkreiseln und Steinmühlen wieder heraus, nur allerdings nicht lebend. Aber in der Regel blieben sie verschwunden.
»Werden wir sehen«, entgegnete Schneider gelassen. »Jetzt aber zu Ihnen, Herr Hartinger. Wegen Ihnen ist die halbe bayerische Polizei im Einsatz. Wo waren Sie die letzten sechsunddreißig Stunden?« Es war ja nicht so, dass Bernd Schneider nicht exakt über die Aufenthaltsorte des Karl-Heinz Hartinger während der letzten anderthalb Tage informiert war. Zudem hatte er von seinem neuen BND-Führungsoffizier erfahren, wo sich Hartinger seit gestern Abend aufhielt. Aber er wollte es dennoch von Hartinger hören.
»Mei, mal hier, mal da. Wissen Sie, ich bin Journalist und Fotograf. Da schaut man sich schon mal die Gegend an. Ist fei wunderschön im Oberland, finden Sie nicht auch? Diese Berge, diese Luft, diese Sonne . . .«
»Schon gut«, unterbrach ihn Schneider. »Sagen Sie lieber, was war mit dem Max Huber los? Wie kommen Sie darauf, dass er den jungen Mönch umgebracht hat?«
»Das ist eine lange Geschichte. Eine sehr lange. Wenn Sie die interessiert, müssen Sie über siebzig Jahre in die Zeit zurückgehen. Ich hab das heute Nacht gemacht. Und da bin ich draufgekommen.«
»So so, Sie sind draufgekommen.« Schneider traute dem Hartinger ja einiges zu. Aber Zeitreisen nicht.
»Nun ja, also mit einem Helfer, der sich in der Geschichte gut auskennt. Oder besser gesagt, mit zwei Helfern. Der eine war Pater Engelbert selbst.«
»Das ist mir alles zu hoch. Geht‘s ein bisschen komprimierter? Ich hab noch weitere Kundschaft da drinnen in dem Hof sitzen.«
»Na gut«, sagte Hartinger. »Steigen Sie hinauf auf den Dachboden, und wecken Sie den alten Mann dort oben auf. Aber erschrecken Sie ihn bitte nicht. Er ist wirklich vollkommen unbeteiligt. Trotzdem weiß er alles. Er heißt Albert Frey.«
»Und Sie bleiben hier?«, wollte Schneider wissen. »Ohne dass ich Sie mit Eisenketten an den Fels schmieden muss?«
»Logisch. Erstens ist der Mord aufgeklärt, und es wird sich beweisen lassen, dass ich es nicht war. Zweitens tauge ich nicht zum Prometheus, seit meine Leber wieder auf Normalmaß abgeschwollen ist.«
Schneider hatte keine Ahnung, was der Mann da faselte. Er ging zurück zum Hof.
Hartinger setzte sich auf einen großen Findling am Wiesenrand und ließ sich den ganzen Wahnsinn noch einmal durch den Kopf gehen.
»Hammer. Der totale Hammer«, sagte er leise und schaute der Sonne zu, wie sie sich tapfer über den Kamm des östlichen Wettersteins kämpfte.
»Und sie haben dich heute früh erst rausgelassen?« Kurt Weißhaupt machte sich über den Fernsehteller her. Das Gericht war ein Standard der Schumann‘schen Bar und bestand aus Schinken-, Roastbeef – und Emmentalerbrot, dazu eine fein aufgeschnittene Essiggurke und den schärfsten Sahnemeerrettich Münchens; von dieser tränenerzeugenden Spezialität strich sich Weißhaupt eine dicke Schicht auf eine Schnitte Roastbeefbrot und steckte sich das Ganze in den Mund. Jedem anderen hätte es den Schädel zerrissen. »Ohne Haftbefehl dürfen sie dich doch nur vierundzwanzig Stunden festhalten. Egal. Hauptsache, du bist draußen. Jetzt erzähl.«
»Was soll ich erzählen, du weißt doch schon alles von deinen Quellen.« Hartinger war sofort nach der Entlassung aus der U-Haft in der JVA Garmisch rüber ins Bräustüberl gegangen. Ohne den Zellenmief aus den Poren zu duschen, hatte er erst einmal ein saures Lüngerl und eine Halbe gebraucht und hatte sich nach diesem Festmahl von der Bräustüberl-Bedienung Anni deren kleinen Peugeot geliehen. Was das untermotorisierte Rutscherl hergab, war er danach in Richtung A 95 gefahren, raus aus dem
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