Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Speicherbaulichkeiten umgeben), machte bedeutenden Eindruck auf Jaakob, den Zeltbewohner, der freilich unterwegs in den Städten weit schönere Wohnhäuser gesehen hatte und auch nicht gewillt war, sich irgendwelche Bewunderung merken zu lassen. Er mäkelte sogar sofort an dem Haus, fand die Holzleiter, die von außen aufs Dach führte, in hingeworfenen Worten unzulänglich und meinte, man müsse eine Backsteintreppe statt ihrer anlegen, auch das Ganze mit Kalk bewerfen und die Fensterlöcher zu ebener Erde mit Holzgittern versehen.
»Es führt eine Treppe vom Hofe hinauf«, sagte Laban. »Mir genügt mein Haus.«
»Sage das nicht!« sprach Jaakob. »Ist der Mensch leicht zufrieden, so ist es auch Gott für ihn und zieht von ihm die Segenshand. Wieviel Schafe hat mein Oheim?«
»Achtzig«, antwortete der Wirt.
»Und Ziegen?«
»An dreißig.«
»Rindvieh gar keines?«
Laban wies aufgebracht mit dem Bart in der Richtung eines Lehm- und Rohrverschlages, der offenbar den Rinderstall darstellte, nannte aber keine Zahl.
»Das müssen mehr werden«, sagte Jaakob. »Mehr von jeder Art Vieh.« Und Laban warf ihm einen zwar finsteren, aber hinter der Finsternis neugierig prüfenden Blick zu. Dann wandten sie sich gegen das Haus.
Das Nachtmahl
Das Haus, überragt von mehreren hohen Pappelbäumen, an deren einem der Blitz die Rinde von oben bis unten geschädigt hatte, war ein roher und in den Ausmaßen ziemlich bescheidener, schon etwas bröckliger Bau aus Lehmziegeln, der aber durch die Luftigkeit des oberen Teiles einen gewissen architektonischen Reiz gewann; denn das mit Erde bedeckte und mit kleinen Aufbauten aus Rohr versehene Dach ruhte nur teilweise, in der Mitte und an den Ecken, auf Mauerwerk, zwischendurch aber auf Holzpfeilern. Besser wäre von einer Mehrzahl von Dächern die Rede gewesen, denn auch in der Mitte war das Haus offen: es bildete ein Karree von vier Flügeln, die einen kleinen Hof umschlossen. Ein paar Stufen aus gestampftem Lehm führten zu der Haustür aus Palmholz.
Zwei oder drei Handwerkssklaven, ein Töpfer und ein Bäcker, der Gerstenteig an die Innenwand seines kleinen Backofens klatschte, arbeiteten zwischen den Wirtschaftsgebäuden auf dem Gehöft, das Onkel und Neffe überschritten. Eine Magd im Lendenschurz trug Wasser. Sie hatte es aus dem nächsten gegrabenen Wasserlauf, namens Bel-Kanal, geschöpft, aus dem Labans umhegtes Gersten- und Sesamfeld dort draußen bewässert wurde und der seinerseits sein Wasser aus einem anderen, dem Ellil-Kanal, empfing. Der Bel-Kanal gehörte einem städtischen Kaufmann, der ihn hatte graben lassen und dem Laban für den Gebrauch des Wassers eine ihn drükkende Abgabe an Öl, Korn und Wolle entrichten mußte. Jenseits des Ackers wellte die offene Steppe hin, weit, bis zum Horizont, den der Stufenturm des Mondtempels von Charran überragte.
Die Frauen, vom Dach herabgestiegen, erwarteten den Herrn und seinen Gast in dem Vorraum, den man gleich durch die Haustür betrat und in dessen Lehm-Estrich ein großer Mörser zum Zerstampfen von Korn eingelassen war. Adina, Labans Frau, war eine wenig bedeutende Matrone mit einer Halskette aus bunten Steinen, einem herabhängenden Kopftuch über der anliegenden Haube, die ihr Haar bedeckte, und einem Gesichtsausdruck, der durch seine Freudlosigkeit an den ihres Gatten erinnerte, nur war der Zug ihres Mundes nicht so sehr sauer als bitter. Sie besaß keine Söhne, und das mochte auch wohl zur Erklärung von Labans Düsternis mit herangezogen werden. Später erfuhr Jaakob, daß das Paar in der Frühzeit seiner Ehe sehr wohl ein Söhnchen gehabt, es jedoch anläßlich des Hausbaues geopfert, nämlich lebend in einem Tonkruge, unter Beigabe von Lampen und Schüsseln, im Fundament beigesetzt hatte, um damit Segen und Gedeihen auf Haus und Wirtschaft herabzubeschwören. Doch hatte die Darbringung nicht nur keinen besonderen Segen herbeigezogen, sondern Adina hatte sich auch seitdem außerstande erwiesen, Knaben das Leben zu schenken.
Was Lea betraf, so erschien sie durchaus nicht weniger wohlgebaut, ja sogar größer und stattlicher als Rahel, gab aber ein Beispiel ab für die eigentümliche Entwertung, die ein tadelfreier Gliederwuchs durch ein häßliches Antlitz erfährt. Zwar hatte sie außerordentlich reiches aschfarbenes Haar, das ihr, oben mit einer kleinen Mütze bedeckt, zu schwerem Knoten geballt in den Nacken hing. Aber ihre grüngrauen Augen schielten trübselig an der langen und geröteten Nase herab,
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