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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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und gerötet waren auch die grindigen Lider dieser Augen, sowie ihre Hände, die sie ebenso zu verbergen suchte wie den verqueren Blick ihrer Augen, über den sie beständig mit einer Art schamhafter Würde die Wimpern senkte. »Da haben wir es: der blöde Mond und der schöne«, dachte Jaakob bei Betrachtung der Schwestern. Doch sprach er zu Lea und nicht zu Rahel, während man den kleinen, gepflasterten Hof überschritt, in dessen Mitte ein Opferstein aufgerichtet war; aber sie schnalzte nur bedauernd, wie schon die Hirten auf dem Felde es getan, und schien ihn auf das Eingreifen eines Dolmetschers zu vertrösten, dessen kanaanitischen Namen sie wiederholt aussprach: eines Haushörigen, Abdcheba geheißen, desselben, wie sich erwies, der vorhin auf dem Außenhof Fladen gebacken hatte. Denn er bediente den Jaakob mit Wasser für Füße und Hände, als man über die Ziegelstiege, die zum Dach weiterführte, in das offene Oberzimmer gelangt war, wo die Mahlzeit genommen wurde, und erklärte, daß er aus einem zur Herrschaft Urusalim gehörigen Dorfe gebürtig, von seinen Eltern aus purer Not in die Sklaverei verkauft und zu dem stehenden Preise von zwanzig Sekeln, der offenbar sein mäßiges Selbstgefühl bestimmte, schon durch viele Hände gegangen sei. Er war klein, grauhaarig und hohlbrüstig, aber zungengewandt und übersetzte jede Phrase, die Jaakob äußerte, sofort in die Landessprache, worauf er ihm ebenso prompt und fließend die Antwort erläuterte.
    Es war ein langer, schmaler Raum, in dem man sich niederließ, ein recht angenehmer, luftiger Aufenthalt: zwischen den dachtragenden Pfeilern hindurch blickte man einerseits auf die sich verdunkelnde Steppe und andererseits in das friedliche Viereck des mit farbigen Tüchern überspannten Innenhofs mit seinem Kieselpflaster und seiner Holzgalerie. Es wurde Abend. Die Magd im Lendenschurz, die Wasser getragen, brachte nun Feuer vom Herde und entzündete drei tönerne Lampen, die auf Dreifüßen standen. Dann trug sie zusammen mit Abdcheba das Essen heran: einen Topf dicken, mit Sesamöl zubereiteten Mehlbreis (»Pappasu, Pappasu!« wiederholte Rahel mit kindlichem Jubel, indem sie auf lüsterne und drollige Art ihr Zünglein zwischen den Lippen spielen ließ und in die Hände klatschte), noch warme Gerstenfladen, Rettiche, Gurken, Palmkohl und zum Trunke Ziegenmilch und Kanalwasser, von dem ein Vorrat in einer großen tönernen Amphore an einem der Dachpfosten hing. Es standen zwei ebenfalls tönerne Kasten an der Außenwand des Raumes, die mit allerlei kupfernen Schalen, Mischgefäßen, einer Handmühle und Bechern besetzt waren. Verschiedenartig, auf unregelmäßige Weise, saß die Familie um eine niedrig erhöhte, mit Rindsleder überzogene Platte zu Tisch: Laban und sein Weib kauerten nebeneinander auf einem Ruhebett, die Töchter saßen mit untergeschlagenen Beinen auf mit Kissen belegten Rohrhockern, und Jaakob hatte einen lehnenlosen Stuhl aus buntbemaltem Ton, vor dem ein ebensolcher Schemel seine Füße stützte. Für das Pappasu gab es zwei aus Kuhhorn gefertigte Löffel, deren man sich abwechselnd bediente, indem jeder, der einen davon benützt hatte, ihn sogleich wieder aus dem Topfe füllte, für den Nachbarn, an den er ihn weitergab. Jaakob, der neben Rahel saß, füllte ihr jedesmal den Löffel so hoch, daß sie lachte. Lea sah es, und ihr Schielen verstärkte sich ins ganz und gar Kummervolle.
    Gesprochen wurde während des Essens nichts irgendwie Bedeutendes, sondern nur Dinge, die sich eben auf die Nahrung bezogen. Adina sagte etwa zu Laban:
    »Iß, mein Mann, dir gehört alles!«
    Oder sie sagte zu Jaakob:
    »Greife zu, Ausländer, erfreue deine müde Seele!«
    Oder eines der Eltern sagte zu einer Tochter:
    »Ich sehe, du nimmst fast alles und läßt der Mehrzahl nichts. Wenn du deine Gier nicht zügelst, so wird die Hexe Labartu dir das Innere umkehren, daß du erbrechen mußt.«
    Abdcheba verfehlte nicht, auch diese Kleinigkeiten dem Jaakob genau zu übersetzen, und dieser beteiligte sich schon in der Landessprache an der Unterhaltung, indem er etwa zu Laban sagte:
    »Iß, Vater und Bruder, alles ist dein!«
    Oder zu Rahel:
    »Greif zu, Schwester, erfreue deine Seele!«
    Abdcheba sowohl wie die Magd im Schurz nahmen ihr Abendessen gleichzeitig mit der Herrschaft ein, unter dem Bedienen und mit Unterbrechungen, indem sie von Zeit zu Zeit auf den Boden niederhockten, um rasch einen Rettich zu verzehren und abwechselnd aus einer Schale

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