Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Händchen zusammenfügten, und anderen Teiles in nicht von feinster Hand modellierten Faltenkleidern, unter deren Saum ihre plumpen kleinen Zehen zum Vorschein kamen. Das waren Labans Hausgeister und Wahrsagemännlein, seine Theraphim, an denen er innig hing und mit denen der finstere Mann sich in jeder wichtigeren Angelegenheit hier unten beredete. Sie schützten das Haus, wie er dem Jaakob erklärte, zeigten ziemlich zuverlässig das Wetter an, berieten ihn in Fragen des Kaufes und Verkaufes, vermochten Hinweise zu geben, welche Richtung ein verlaufenes Schaf eingeschlagen, und so fort.
Dem Jaakob war keineswegs wohl bei den Gebeinen, den Quittungen und den Götzlein, und er war froh, als man über die Leiter, die hinabführte, und durch das Loch der kleinen Falltür aus dieser Unterwelt in die obere zurückkehrte, um sich schlafen zu legen. Laban hatte sowohl vor Bethuels Truhe Andacht verrichtet, indem er dort frisches Wasser zur Labung des Verstorbenen niedergestellt, ihm »Wasser gespendet« hatte, wie auch die Theraphim durch Verbeugungen geehrt, und es hatte nur gefehlt, daß er auch die geschäftlichen Dokumente angebetet hätte. Jaakob, der weder irgendwelche Todesdevotion noch den Figurendienst billigte, war betrübt über die religiöse Unklarheit und Unsicherheit, die offenbar in diesem Hause herrschte, während man doch bei Laban, dem Großneffen Abrahams und Bruder Rebekka’s einen entschieden aufgehellteren Gottessinn hätte sollen voraussetzen dürfen. In Wirklichkeit besaß Laban zwar Nachricht von der Glaubensüberlieferung der westlichen Verwandten, aber es mischte sich in sein Wissen davon so viel Landesübliches, daß umgekehrt dieses als der Hauptbestandteil seiner Überzeugungen und das Abrahamitische als Beimischung anzusprechen war. Obgleich am Quell und Ausgangspunkte der geistlichen Geschichte sitzend, oder eben weil er dort sitzen geblieben war, fühlte er sich ganz als Untertan Babels und seines Staatsglaubens und sprach von Ja-Elohim zu Jaakob nur als von dem »Gott deines Vaters«, indem er ihn auch noch mit dem Obergotte Sinears, Mardug, ganz töricht zusammenwarf. Das enttäuschte den Jaakob, denn er hatte sich die Bildung des Hauses fortgeschrittener gedacht, wie offenbar auch die Eltern daheim das getan hatten, und namentlich um Rahels willen bekümmerte es ihn, in deren hübschem und schönem Kopf es natürlich nicht besser aussah als in dem der Ihren und die im Sinne des Wahren und Rechten zu beeinflussen er vom ersten Tage jede Gelegenheit wahrnahm. Denn vom ersten Tage an, eigentlich seit er sie zuerst am Brunnen erblickt, betrachtete er sie als seine Braut, und es ist nicht zuviel gesagt, daß auch Rahel schon bei jenem kleinen Aufschrei, der ihr entschlüpft war, als er sich als ihr Vetter zu erkennen gegeben, den Freier und Bräutigam in ihm erblickt hatte.
Allgemein und aus guten Gründen war damals die Verwandtenehe, die Heirat unter Geschlechtsangehörigen, gang und gäbe; sie galt als das einzig Ehrbare, Vernünftige und Zuverlässige, und wir wissen wohl, wie sehr der arme Esau mit seinen exzentrischen Heiraten seiner Stellung geschadet hatte. Es war keine persönliche Schrulle gewesen, wenn Abraham darauf bestanden hatte, daß Jizchak, der wahrhafte Sohn, nur ein Weib nehme aus seinem Geschlecht und seines Vaters Hause, nämlich aus dem Nachors von Charran, auf daß man wisse, was man bekäme; und da nun Jaakob in dieses Haus kam, das Töchter barg, wandelte er in Isaaks, genauer in Eliezers, des Freiwerbers, Fußstapfen, und der Gedanke der Freiung war für ihn, wie für Isaak und Rebekka, selbstverständlich mit seinem Besuche verbunden, ja wäre das sofort auch für Laban gewesen, wenn der wirtschaftlich verhärtete Mann es gleich über sich gewonnen hätte, in dem Flüchtling und Bettelarmen den Eidam zu erkennen. Es wäre dem Laban, wie jedem anderen Vater, höchst widerwärtig und gefährlich erschienen, seine Töchter in ein ganz unverwandtes und unbekanntes Geschlecht übergehen zu lassen, sie, wie er gesagt haben würde, »in die Fremde zu verkaufen«. Weit sicherer und würdiger war es, sie blieben auch als Ehefrauen im Schoß der Sippe, und da ein Vetter von seiner, des Vaters Seite vorhanden war, so war dieser, Jaakob also, geradezu der vorbestimmte und natürliche Gatte für sie – das heißt: nicht nur für eine von ihnen, sondern für beide auf einmal: Dies war in Labans Haus die stillschweigend-allgemeine Auffassung, als Jaakob kam: es war im Grunde
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