Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Felsgeröll verstreut, wo Jaakob ritt, und dürres Gestrüpp war alles, was wuchs. Der Üble lief in Windungen zwischen den Brocken und Büschen hin, verschwand dahinter, erschien wieder und sah sich um. Da er aber einmal verschwunden war, blinzelte Jaakob. Und da er nur eben geblinzelt hatte, saß vor ihm das Tier auf einem Stein und war ein Tier noch immer nach seinem Kopf, dem üblen Hundskopf mit spitz hochstehenden Ohren und schnabelhaft vorspringender Schnauze, deren Maulspalte bis zu den Ohren reichte; sein Leib aber war menschlich gestaltet bis zu den wenig bestaubten Zehen und angenehm zu sehen wie eines feinen, leichten Knaben Leib. Er saß auf dem Brocken in lässiger Haltung, etwas vorgeneigt und einen Unterarm auf den Oberschenkel des eingezogenen Beines gelehnt, so daß eine Bauchfalte sich über dem Nabel bildete, und hielt das andere Bein vor sich hingestreckt, die Ferse am Boden. Dies ausgestreckte Bein mit dem schlanken Knie und dem langen und leicht geschwungenen, feinsehnigen Unterschenkel war am wohlgefälligsten zu sehen. Aber an den schmalen Schultern schon, der oberen Brust und dem Halse begannen dem Gotte Haare zu wachsen und wurden zum lehmgelben Pelz des Hundskopfes mit dem weit gespaltenen Maul und den kleinen, hämischen Augen, der ihm anstand, wie eben ein blödes Haupt einem stattlichen Körper ansteht: entwertend und traurig, so daß dies alles, Bein und Brust, nur lieblich gewesen wäre , es aber mit diesem Haupte nicht war. Auch witterte Jaakob, da er herangeritten, in aller Schärfe die beizende Schakalausdünstung, die traurigerweise ausging von des Hundsknaben Gestalt. Und wundersam-traurig war es vollends, als jener das breite Maul auftat seiner Schnauze und mit kehlig-mühsamer Stimme zu reden anhob:
»Ap-uat, Ap-uat.«
»Bemühe dich nicht, Sohn des Usiri«, sagte Jaakob. »Du bist Anup, der Führer und Öffner der Wege, ich weiß es. Ich hätte mich gewundert, wenn ich dir hier nicht begegnet wäre.«
»Es war ein Versehen«, sagte der Gott.
»Wie meinst du?« fragte Jaakob.
»Aus Versehen zeugten sie mich«, sprach jener mühsamen Maules, »der Herr des Westens und Nebthot, meine Mutter.«
»Das bedauere ich«, antwortete Jaakob. »Doch wie geschah es nur?«
»Sie hätte nicht meine Mutter sein sollen«, erwiderte der Jüngling, indes sein Maul allmählich gewandter wurde. »Sie war die Unrechte. Die Nacht war schuld. Sie ist eine Kuh, es ist ihr alles einerlei. Sie trägt die Sonnenscheibe zwischen den Hörnern, zum Zeichen, daß jeweils die Sonne in sie eingeht, den jungen Tag mit ihr zu erzeugen, doch das Gebären so vieler heller Söhne hat ihrer Dumpfheit und Gleichgültigkeit niemals Abbruch getan.«
»Ich versuche einzusehen«, sprach Jaakob, »daß das gefährlich ist.«
»Sehr gefährlich«, versetzte nickend der andere. »Blind und in kuhwarmer Güte umfängt sie alles, was in ihr geschieht, und läßt es voll dumpfen Gleichmuts geschehen, ob es gleich nur geschieht, weil es dunkel ist.«
»Schlimm«, sagte Jaakob. »Welche wäre denn aber die Rechte gewesen, dich zu empfangen, wenn es nicht Nebthot war?«
»Das weißt du nicht?« fragte der Hundejüngling.
»Ich kann nicht genau unterscheiden«, antwortete Jaakob, »was ich von mir aus weiß und was ich von dir erfahre.«
»Wüßtest du’s nicht«, gab jener zurück, »so könnte ich’s dir nicht sagen. Im Anfang, nicht ganz im Anfang, aber ziemlich im Anfang, waren Geb und Nut. Das war der Erde Gott und die Himmelsgöttin. Sie zeugten vier Kinder: Usir, Set, Eset und Nebthot. Eset aber ward des Usir Eheschwester und Nebthot des roten Setech.«
»So viel ist klar«, sagte Jaakob. »Und hätten die vier diese Anordnung nicht scharf genug im Auge behalten?«
»Zwei von ihnen nicht«, erwiderte Anup. »Leider, nein. Was willst du, wir sind zerstreute Wesen, unaufmerksam und träumerisch-sorglos von Hause aus. Sorge und Vorsicht sind schmutzig-irdische Eigenschaften, doch andererseits, was hat nicht die Sorglosigkeit schon angestiftet im Leben.«
»Nur zu wahr«, bestätigte Jaakob. »Man muß achtgeben. Wenn ich offen sein soll, so liegt es nach meiner Meinung daran, daß ihr nur Abgötter seid. Gott weiß stets, was er will und tut. Er verspricht und hält, er errichtet einen Bund und ist treu bis in Ewigkeit.«
»Welcher Gott?« fragte Anup. Aber Jaakob erwiderte ihm:
»Du verstellst dich. Wenn Erd’ und Himmel sich vermischen, so ergibt das allenfalls Helden und große Könige, aber keinen
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