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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Gott, weder vier noch einen. Geb und Nut, du gibst zu, daß sie nicht ganz am Anfang waren. Woher kamen sie?«
    »Aus Tefnet, der großen Mutter«, antwortete es schlagfertig vom Stein.
    »Gut, du sagst es, weil ich’s weiß«, fuhr Jaakob im Traume fort. »Aber war Tefnet der Anfang? Woher kam Tefnet?«
    »Es rief sie der Unentstandene, Verborgene, des Name ist Nun«, erwiderte Anup.
    »Ich habe dich nicht nach seinem Namen gefragt«, erwiderte Jaakob. »Aber jetzt fängst du an, vernünftig zu reden, Hundsknabe. Ich hatte nicht die Absicht, mit dir zu rechten. Immerhin bist du ein Abgott. Wie war es also mit deiner Eltern Irrtum?«
    »Die Nacht war schuld«, wiederholte der Übelriechende, »und er, der die Geißel trägt und den Hirtenstab, war sorglos zerstreut. Die Majestät dieses Gottes trachtete nach Eset, seiner Eheschwester, und unversehens stieß sie in der blinden Nacht auf Nebthot, des Roten Schwester. Da umfing sie dieser große Gott, vermeinend, es sei die Seine, und beide umfing in vollkommenem Gleichmut die Liebesnacht.«
    »Kann so etwas vorkommen!« rief Jaakob. »Was geschah?«
    »Es kann leicht vorkommen«, antwortete der andere. »Die Nacht weiß in ihrem Gleichmut die Wahrheit, und nichts sind vor ihr die aufgeweckten Vorurteile des Tages. Denn es ist ein Frauenleib wie der andere, gut zum Lieben, zum Zeugen gut. Nur das Angesicht unterscheidet den einen vom andern und macht, daß wir wähnen, in diesem zeugen zu wollen, aber in jenem nicht. Denn das Angesicht ist des Tages, der voller aufgeweckter Einbildungen ist, aber vor der Nacht, die die Wahrheit weiß, ist es nichts.«
    »Du sprichst roh und gefühllos«, sagte Jaakob gequält. »Man hat Gründe, sich dermaßen stumpfsinnig zu äußern, wenn man einen Kopf hat wie du und ein Angesicht, vor das man die Hand halten muß, um überhaupt zu bemerken und zuzugeben, daß dein Bein hübsch und schön ist, wie du es vor dich hinstreckst.«
    Anup blickte hinab, zog den Fuß ein zu dem anderen und schob die Hände zwischen seine Knie.
    »Laß du mich aus dem Spiel!« sagte er dann. »Ich werde meinen Kopf schon noch los. Willst du also wissen, was weiter geschah?«
    »Was denn?« fragte Jaakob.
    »Es war«, setzte jener fort, »Usir, der Herr, für Nebthot in der Nacht wie Set, ihr roter Gemahl, und sie für ihn ganz wie Eset, die Herrin. Denn er war zum Zeugen gemacht und sie zum Empfangen, und sonst war der Nacht alles gleichgültig. Und sie entzückten einander im Zeugen und Empfangen, denn da sie zu lieben glaubten, zeugten sie nur. Da ward diese Göttin schwanger von mir, während Eset, die Rechte, es hätte werden sollen.«
    »Traurig«, sprach Jaakob.
    »Da der Morgen kam, stoben sie auseinander«, berichtete das Jünglingstier; »aber alles hätte gut gehen können, wenn nicht die Majestät dieses Gottes ihren Lotuskranz bei Nebthot vergessen hätte. Den fand der rote Set und brüllte. Seitdem trachtete er dem Usir nach dem Leben.«
    »Du berichtest es, wie ich’s weiß«, erinnerte sich Jaakob. »Dann kam die Geschichte mit der Lade, nicht wahr, in die der Rote den Bruder lockte, und brachte ihn um vermittelst ihrer, so daß Usir, der tote Herr, im verlöteten Sarge stromabwärts ins Meer schwamm.«
    »Und Set wurde König der Länder auf dem Throne Gebs«, ergänzte Anup. »Aber das ist es nicht, wobei ich verweilen will und was diesem deinem Traum sein Gepräge verleiht. Denn der Rote blieb ja nicht lange König der Länder, da Eset den Knaben Hor gebar, der ihn schlug. Aber siehe, als sie nun suchen ging und klagend die Welt durchirrte nach dem Gemordeten, Verlorenen und rief ohn’ Unterlaß: ›Komm in dein Haus, komm in dein Haus, Geliebter! O schönes Kind, komm in dein Haus!‹, da war Nebthot bei ihr, das Weib seines Mörders, die der Geopferte irrtümlich umfangen, – auf Schritt und Tritt war sie bei ihr, und sie vertrugen sich innig im Schmerz und klagten zusammen: ›O du, dessen Herz nicht mehr schlägt, ich will dich sehen, o schöner Herrscher, ich will dich sehen!‹«
    »Das war friedlich und traurig«, sagte Jaakob.
    »Allerdings«, erwiderte der auf dem Stein, »das ist das Gepräge. Denn wer war noch bei ihr und half ihr beim Suchen, Irren und Klagen, damals sowohl wie auch später, da Set den gefundenen und versteckten Leichnam gefunden und ihn zerstückelt hatte in vierzehn Stücke, die Eset suchen mußte, damit der Herr beisammen sei in seinen Gliedern? Das war ich, Anup, der Sohn der Unrechten, die Frucht des

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