Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Etemenanki. Da empfängt sie den Gott auf dem Bette in dunkelster Nacht, und überaus groß ist das Geheimnis.«
    »Hm«, machte Jaakob, denn Laban riß seine Augen auf und spreizte die Finger zu Seiten des Kopfes und tat so weihevoll, wie es dem Erdenkloß gar nicht zu Gesicht stehen wollte für des Neffen Sinn. Laban fuhr fort:
    »Es ist wohl fein und lieblich, wenn der Bräutigam Haus und Hof sein eigen nennt oder ist hoch gehalten in seiner Eltern Haus und kommt herrlich daher, die Braut einzuholen und sie mit Gepränge zu führen auf dem Landoder Wasserwege in sein Eigen und Erbe. Du aber bist, wie du weißt, nichts als ein Flüchtling und Unbehauster, zerfallen mit den Deinen, und sitzest ein bei mir als Eidam, so will ich’s auch zufrieden sein. Es wird keinen Brautzug geben zu Lande oder zu Wasser, sondern ihr bleibt bei mir nach dem Mahl und nach dem Gelage; aber wenn ich zwischen euch getreten bin und habe eure Stirnen berührt, so wollen wir’s halten nach dem Landesbrauch dieses Falles und dich mit Gesang um den Hof führen ins Bettgemach. Da sollst du sitzen auf dem Bette, eine Blüte in der Hand, und der Braut harren. Denn wir führen auch sie, die Makellose, rund um den Hof mit Fackeln und Gesang, und an der Kammertür löschen wir die Fackeln, und ich führe dir zu die Geweihte und lasse euch, daß du ihr die Blüte reichest im Dunkeln.«
    »Ist das Brauch und Rechtens?« fragte Jaakob.
    »Weit und breit, du sagst es«, erwiderte Laban.
    »So will ich’s mir lieb sein lassen«, erwiderte Jaakob. »Ich nehme übrigens an, daß doch wohl eine Fackel wird brennen bleiben oder eines Lämpchens Docht, damit ich meine Braut sehen kann, wenn ich ihr die Blüte reiche und nachher.«
    »Schweig!« rief Laban. »Ich möchte wissen, was dir einfällt, so unkeusch zu reden und noch dazu vor dem Vater, dem es ohnehin bitter und peinlich ist, sein Kind einem Manne zuzuführen, daß er es aufdecke und beschlafe. Halte wenigstens vor mir deine geile Zunge im Zaum und verschließe in dich deine übergroße Lüsternheit! Hast du nicht Hände, zu sehen, und mußt du die Makellose auch noch mit Augen verschlingen, um dir die Lust zu schärfen durch ihre Scham und das Zittern ihrer Jungfräulichkeit? Achte das Geheimnis der obersten Turmeszelle!«
    »Entschuldige«, sagte Jaakob, »und vergib mir! Ich habe es nicht so unkeusch gemeint, wie es sich ausnimmt in deinem Munde. Ich hätte die Braut nur gern mit Augen gesehen. Aber wenn es Brauch ist weit und breit, wie du es vorschreibst, so will ich’s vorerst zufrieden sein.« –
    Also kam der Tag der vollen Schönheit heran und das Fest des Beilagers, und bei Laban, dem glückhaften Schafzüchter, gab es ein Schlachten, Kochen, Braten und Brauen in Hof und Haus, daß es ein Dunst und Geprassel war und allen die Augen flossen vom beizenden Qualm der Feuer, die unter Kesseln und Öfen brannten; denn Laban sparte an Holzkohle und heizte fast nur mit Dornen und Mist. Herrschaft und Ingesinde, Jaakob mit eingeschlossen, regten die Hände, Bewirtung herzustellen für viele und anzurichten das Dauergelage; denn sieben Tage sollte die Hochzeit währen, und unerschöpflich mußten sich unterdessen, sollte nicht Spott und Schande über die Wirtschaft kommen, die Vorräte an Kuchen, Kringeln und Fischbrot, an Dicksuppen, Musen und Milchspeisen, Bier, Fruchtwassern und starken Schnäpsen erweisen, – der Hammelbraten und Rindskeulen hier nicht einmal zu gedenken. Sie sangen Lieder bei ihren Hantierungen für Uduntamku, den Feisten, welcher dem Essen vorsteht, den Gott des Bauches. Alle sangen und schafften sie: Laban und Adina, Jaakob und Lea, die Schlampe Iltani und Bilha und Silpa, der Töchter Mägde, Abdcheba, der Zwanzig-Schekel-Mann, und die jüngst erworbenen Knechte. Labans späte Söhne liefen jauchzend im Hemdchen durchs Getriebe, glitschten aus im vergossenen Schlachtblut und besudelten sich, daß ihnen der Vater die Ohren drehte und sie heulten wie Schakale; und nur Rahel saß still und untätig für sich im Hause, denn sie durfte den Bräutigam jetzt nicht sehen, noch er die Braut, und betrachtete das kostbare Schleiergewirk, das ihr der Vater geschenkt und das sie tragen sollte beim Feste. Es war herrlich zu sehen, ein Prunkstück der Webekunst und der Kunst des Stickens, – ein unverdienter Glückszufall schien es, daß dergleichen in Labans Haus und Truhe geraten war; der Mann, der es ihm wohlfeil überlassen, mußte sich in bedrängten Umständen befunden

Weitere Kostenlose Bücher