Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Männer allein und Männer mit Frauen, auch sogar Kinder, wenn man sie nicht hatte zu Haus lassen können: Bauern und Viehzüchter der Umgegend, gesalbt und gekräuselt und in Festkleidern ebenfalls, Leute, dem Laban gleich, von schweren Sitten, wie er, und ebenso wirtschaftlich denkend. Sie hatten gegrüßt, die Hand an der Stirne, nach der Gesundheit gefragt und sich dann niedergelassen in Haus und Hof, um Kessel und behangene Tische, auf daß man Wasser gösse über ihre Hände und sie schnalzend begönnen das Dauermahl, unter Anrufen von Schamasch und Lobpreisungen Labans, des Gastgebers und Hochzeitvaters. Im äußeren Wirtschaftshofe zwischen den Speichern sowohl wie auf dem inneren, gepflasterten, rings um den Stein der Darbringung, auf des Hauses Dach und in der umlaufenden Holzgalerie ward das Gelage gehalten, und beim Opferstein hielten sich die zu Charran gemieteten Musikanten, Harfenisten, Pauker und Cymbelspieler, die auch tanzen konnten. Der Tag war windig, der Abend war es noch mehr. Wolken glitten über den Mond und verbargen ihn zeitweise ganz, was nicht wenigen, ohne daß sie es geradezu aussprachen, als schlimmes Zeichen erschien; denn es waren einfache Leute und unterschieden nicht zwischen einer Verdunkelung des Antlitzes durch Wolken und eigentlicher Verfinsterung. Der schwüle Wind, der seufzend durchs Haus strich, sich pfeifend im Rohr der Speicherhütten verfing, die Pappeln knarren und rauschen ließ, wühlte in den Gerüchen der Hochzeit, den Salbendünsten der Tafelnden, dem Speisebrodem, vermischte sie, trieb sie in Schwaden umher und schien die rauchenden Flammen von den Dreifüßen reißen zu wollen, auf denen man Nardengras und Budulhuharz verbrannte. Dies windverwirrte Gedünst und Spezereien, Festschweiß und Bratenwürze meinte Jaakob allezeit beizend in seiner Nase zu spüren, wenn er der Geschehnisse gedachte von damals.
Er saß mit den Labansleuten unter anderen Schmausenden im Obersaal, dort, wo er vor sieben Jahren zuerst das Brot mit der fremden Verwandtschaft gebrochen, saß mit dem Hofherrn, seinem fruchtbaren Weibe und ihren Töchtern zu Tische vor allerlei Nachkost und Gaumenkurzweil, die auf dem Tuche gehäuft war, als Süßbrot, Datteln, Knoblauch und Gurken, und tat den Gästen Bescheid, die gegen ihn und die Wirte den Becher mit Rauschtrank hoben. Rahel, seine Braut, die er gleich empfangen sollte, saß neben ihm, und zuweilen küßte er den Saum des Schleiers, der sie in bildbeschwerten Falten verhüllte. Sie hob ihn kein einzigmal zum Essen und Trinken; vor dem Mahle, schien es, hatte man die Geweihte gespeist. Sie saß still und stumm, neigte nur demütig das verhangene Haupt, wenn er den Schleier küßte, und auch Jaakob saß stumm und festbetäubt, eine Blüte in der Hand, ein weißblühendes Myrtenzweiglein aus Labans bewässertem Garten. Er hatte Bier getrunken und Dattelwein, sein Sinn war benommen, und seine Seele wollte sich nicht in Gedanken lösen und nicht sich erheben zu betrachtender Dankbarkeit, sondern war schwer in seinem geölten Leibe, und sein Leib war seine Seele. Er wollte gern denken und recht erfassen, wie Gott dies alles bereitet, wie er dem Flüchtling einst die Geliebte entgegengeführt, das Menschenkind, das er nur sehen mußte, um es für sein Herz zu erwählen ewiglich und es zu lieben in alle Zeit und Zukunft, über es selbst hinaus, in den Kindern noch, die es bringen würde seiner Zärtlichkeit. Er trachtete, sich seines Sieges zu freuen über die Zeit, die bittere Wartezeit, mutmaßlich ihm auferlegt zur Sühne für Esau’s Verkürzung und bitteres Weinen; ihn Gott, dem Herrn, lobpreisend zu Füßen zu legen, diesen Sieg und Triumph, denn seiner war es, und Gott hatte durch ihn und seine nicht untätige Geduld die Zeit, das siebenköpfige Ungetüm, bezwungen, wie einst den Chaoswurm, so daß nun Gegenwart war, was innig wartender Wunsch gewesen, und Rahel neben ihm saß im Schleier, den er heben sollte über ein kleinstes. Er trachtete, mit der Seele seines Glückes teilhaftig zu sein. Aber mit dem Glücke ist es wie mit dem Warten darauf, welches, je länger es währte, desto weniger reines Warten war, sondern versetzt mit Lebenmüssen und geschäftlicher Strebsamkeit. Kommt nun das tätig erwartete Glück, so ist es auch nicht aus Götterstoff, wie es in der Zukunft schien, sondern ist leibliche Gegenwart worden und hat Leibesschwere, wie alles Leben. Denn das Leben im Leibe ist niemals Seligkeit, sondern halbschlächtig und zum
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