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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Saftes!«
    Da waren die Füße derer, die es sangen, vor der Tür, und die Tür öffnete sich ein wenig, daß Gesang und Geklimper einen Augenblick ungehindert hereindrang, und die Verschleierte war im Zimmer, eingelassen von Laban, der gleich die Tür wieder schloß; und sie waren allein im Dunkeln.
    »Bist du es, Rahel?« fragte Jaakob nach einer kurzen Weile, während er gewartet hatte, daß die draußen sich etwas verzögen ... Er fragte es, wie einer fragt: »Bist du zurück von der Reise?«, wo doch der Angeredete vor ihm steht und es nicht gut anders sein kann, als daß er zurück ist, so daß die Frage nur Unsinn ist, um die Stimme antönen zu lassen, und jener nicht antworten, sondern nur lachen kann. Doch hörte Jaakob, wie sie bejahend den Kopf neigte, kannte es an dem leichten Rauschen und Klappern des leichtschweren Schleiergewandes.
    »Du Liebe, Kleine, mein Täubchen und Augapfel, Herz meiner Brust«, sagte er innig. »Es ist so finster und weht ... Ich sitze hier auf dem Bette, wenn du es nicht gesehen hast, geradeaus ins Zimmer hinein und dann etwas rechts. Komm doch, aber stoße dich nicht an dem Tisch, sonst tritt danach ein schwarzblauer Fleck auf deiner zärtlichen Haut hervor, und du stößt auch das Bier um. Ich bin nicht durstig nach ihm, das nicht, ich bin nur durstig nach dir, mein Granatapfel – wie gut, daß sie dich zu mir geführt haben und ich nicht länger allein sitze im Winde. Kommst du jetzt? Ich ginge dir gerne entgegen, aber ich darf wohl nicht, denn es ist Brauch und Rechtens, daß ich dir sitzend die Blüte reiche, und obgleich niemand uns sieht, wollen wir einhalten das Vorgeschriebene, damit wir recht vermählt sind, wie wir es unbeugsam gewünscht durch so viele Wartejahre.«
    Dies überwältigte ihn; seine Stimme brach sich. Die Vorstellung der Zeit, die er ausgestanden in Geduld und Ungeduld um dieser Stunde willen, ergriff ihn mächtig mit tiefer Rührung, und der Gedanke, daß sie mit ihm gewartet hatte und auch ihrerseits sich am Ziel ihrer Wünsche sah, jagte ihm in der Rührung das Herz auf. Das ist die Liebe, wenn sie vollständig ist: Rührung und Lust auf einmal, Zärtlichkeit und Begehren, und während dem Jaakob vor Erschütterung die Tränen aus den Augen quollen, spürte er zugleich die Spannung seiner Mannheit.
    »Da bist du«, sagte er, »du hast mich gefunden im Dunkeln, wie ich dich fand nach mehr als siebzehntägiger Reise, und kamst daher unter den Schafen und sprachst: ›Ei, siehe, ein Fremder!‹ Da erkoren wir einander unter den Menschen, und ich habe gedient um dich sieben Jahre, und die Zeit liegt zu unseren Füßen. Hier, mein Reh, meine Taube, hier ist die Blüte! Du siehst und findest sie nicht, so führe ich deine Hand zum Zweiglein, daß du es nimmst, und ich gebe es dir: da sind wir eines. Deine Hand aber behalte ich, da ich sie so liebe und liebe den Knöchel ihres Gelenkes, mir wohlbekannt, daß ich ihn wiedererkenne zu meiner Freude im Finstern, und ist mir deine Hand wie du selbst und wie dein ganzer Leib, – der aber ist wie eine Garbe Weizens, mit Rosen umkränzt. Liebling, meine Schwester, laß dich doch herab zu mir an meine Seite, ich rücke, so ist Platz für zwei, und wäre für dreie Platz, wenn es not täte. Aber wie gut ist Gott, daß er uns läßt zu zweien sein, abseits von allen, mich bei dir und dich bei mir! Denn ich liebe nur dich um deines Antlitzes willen, das ich jetzt nicht sehe, aber tausendmal sah und vor Liebe küßte, denn seine Lieblichkeit ist es, die deinen Leib kränzt wie mit Rosen, und wenn ich denke, daß du Rahel bist, mit der ich oft gewesen, aber so noch nicht; auf die ich gewartet, und die auf mich gewartet und auch jetzt auf mich wartet und auf meine Zärtlichkeit, so kommt mich ein Entzücken an, stärker als ich, so daß es mich überwältigt. Dunkelheit hüllt uns dichter ein als der Schleier, mit dem sie dich Reine geschmückt, und unseren Augen ist Finsternis vorgebunden, so daß sie nicht über sich selber hinaussehen, und sind blind. Aber nur sie sind es, Gott sei Dank, und sonst keiner unserer Lebenssinne. Hören wir ja einander, wenn wir sprechen, und die Finsternis scheidet uns nicht mehr. Sage mir doch, meine Seele, bist auch du entzückt von der Größe der Stunde?«
    »In Wonne bin ich dein, lieber Herr«, sagte sie leise.
    »Das hätte können Lea sagen, deine größere Schwester«, erwiderte er. »Nicht dem Sinne nach, aber der Mundart nach, begreiflicherweise. Die Stimmen von Schwestern

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