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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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die süß und verliebt waren und von dem liebenden Paare handelten, von ihm und ihr im allgemeinen, die im Begriffe sind, Beilager zu halten und es beiderseits kaum erwarten können. Von dem Zug war die Rede, in dem man wirklich ging: er nahte von der Steppe her, und Rauch von Lavendel und Myrrhe stieg. Das war der Bräutigam, sein Haupt trug die Krone, seine Mutter hatte ihn mit greisen Händen geschmückt für seinen Hochzeitstag. Auf Jaakob paßte das nicht, seine Mutter war fern, er war nur ein Flüchtling, und es traf nicht zu auf seinen Sonderfall, was sie sangen, daß er die Geliebte führe ins Haus seiner Mutter, ins Gemach derer, die ihn geboren. Aber ebendeshalb, so schien es, sang Laban es so gewaltig mit, um das Muster zu Ehren zu bringen vor der mangelhaften Wirklichkeit und Jaakob den Unterschied spüren zu lassen. Und dann war es der Bräutigam des Liedes, der sprach, und die Braut war es, die ihm inbrünstig antwortete, und sie tauschten entzückte Lob- und Sehnsuchtsreden. Schließlich aber beschworen sie jedermann und legten Fürbitte ein das eine fürs andere, daß man sie nicht vorzeitig wecke, wenn sie in Wollust entschlafen seien, sondern ruhen lasse den Bräutigam und ausgiebig schlummern die Braut, bis sie von selber sich wieder regten. Bei den Rehen und Hirschkühen des Feldes beschworen sie die Leute darum im Liede, das alle im Schreiten mit innerer Anteilnahme sangen, und auch die räuchernden Kinder sangen es durchdringend mit, ohne es genau zu verstehen. So ging der Zug in der windigen, mondverfinsterten Nacht um Labans Anwesen, einmal und zweimal und kam vors Haus und vor des Hauses Türe aus Palmholz, da preßte er sich hindurch, die Musikanten voran, und kam vors Bettgemach zu ebener Erde, das auch eine Tür hatte, und Laban führte den Jaakob hinein an seiner Hand. Er ließ hinleuchten mit den Fakkeln, damit Jaakob sich umsähe im Zimmer und erkenne, wo Tisch und Bett standen. Dann wünschte er ihm gesegnete Manneskraft und wandte sich zum Gefolge, das sich in der Tür staute. Sie zogen davon, indem sie den Gesang wieder anstimmten, und Jaakob blieb allein.
    Deutlicher erinnerte er sich an nichts noch nach Jahrzehnten, im hohen Alter noch und noch auf dem Sterbebett, wo er weihevoll davon kündete, als wie er allein gestanden hatte in der Finsternis des Brautgemachs, darin es wehte und zog; denn der Nachtwind fuhr heftig durch die Fensterluken unter der Decke herein und wieder hinaus durch die nach dem inneren Hof gelegenen Luken, verfing sich in den Stoff- und Teppichgehängen, womit man, wie Jaakob im Fackelscheine gesehen, die Wände geschmückt hatte, und erregte Geflatter und Schlagen. Es war der Raum, unter dem das Archiv und Grabgelaß mit den Teraphim und den Quittungen gelegen war; mit dem Fuß spürte Jaakob durch den dünnen Teppich hindurch, den man zur Hochzeit hier ausgebreitet, den Griffring der kleinen Falltür, durch die man hinabgelangte. Auch das Bett hatte er gesehen und trat zu ihm mit ausgestreckter Hand. Es war das beste Bett im Hause, eines von dreien, Laban und Adina hatten darauf gesessen bei jener ersten Abendmahlzeit vor sieben Jahren: ein Sofa auf Füßen, die mit Metall umkleidet waren, und auch die gerundete Kopfstütze war aus polierter Bronze. Man hatte Decken aufs Holzgestell gebreitet und Leinwand darüber getan, wie Jaakob fühlte, und Kissen lehnten auch an der Kopfstütze; nur schmal war das Bett. Auf der Tischplatte, nahebei, war Bier und ein Imbiß bereitgestellt. Zwei Stuhltaburetts gab es im Zimmer, die auch mit Stoff überhangen waren, und Lampenständer zu Häupten des Bettes. Doch war kein Öl in den Lampen.
    Dies prüfte Jaakob in wehender Finsternis und stellte es fest, indes das Geleite mit Lärm und Getrampel das Haus und den Hof erfüllte, die Braut zu holen. Dann setzte er sich auf das Bett, die Blüte in der Hand, und lauschte. Sie ließen wieder das Haus zum Umzuge, Harfen und Cymbeln voran, mit Rahel, der Liebreizenden, der all sein Herz gehörte und die im Schleier ging. Laban führte sie an der Hand, wie vordem ihn, vielleicht auch Adina, und wieder klangen die verliebten Hochzeitslieder im Chor, bald näher, bald ferner. Da sie sich endgültig näherten, sangen sie:
    »Mein Freund ist mein, er ist gänzlich mein eigen.
    Ich bin ein verschlossener Garten, voll lockender Früchte,
    der feinsten Würzdüfte voll.
    Komm, Geliebter, in deinen Garten!
    Pflücke kühn seine lockenden Früchte, schlürfe in dich das
    Labsal ihres

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