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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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die Fäuste an den Wangen. »Lea!« schrie er aus verschnürter Kehle. Sie saß schon aufrecht. Sie blinzelte, lächelte und senkte die Lider über die Augen, wie er es oftmals bei ihr gesehen. Ihre eine Schulter und Brust waren bloß; die waren weiß und schön.
    »Jaakob, mein Mann«, sagte sie, »laß es so sein nach des Vaters Willen. Denn er hat’s gewollt und also geordnet, und die Götter sollen mir geben, daß du’s ihm und ihnen noch dankst.«
    »Lea«, stammelte er, indem er auf seine Gurgel deutete, seine Stirn und sein Herz, »seit wann bist du es?«
    »Immer war ich’s«, antwortete sie, »und war dein diese Nacht, seit ich eintrat im Schleier. Immer war ich dir zärtlich bereit, so gut wie Rahel, seit ich dich zuerst vom Dache erblickt, und hab’ dir’s bewiesen, denke ich wohl, diese ganze Nacht. Denn sage selbst, ob ich dir nicht gedient habe, wie nur irgendein Weib es könnte, und war wacker in der Lust! Ich bin im Innersten sicher, daß ich empfangen habe von dir, und wird ein Sohn sein, stark und gut, und soll geheißen sein Re’uben.«
    Da dachte Jaakob nach und besann sich, wie er sie für Rahel gehalten diese Nacht, und ging hin an die Wand und legte den Arm daran und die Stirn auf den Arm und weinte bitterlich.
    So stand er eine längere Weile, zerrissenen Gefühls, und jedesmal, wenn sich ihm der Gedanke erneuerte, wie er geglaubt und erkannt hatte, wie all sein Glück nur Trug gewesen und ihm die Stunde der Erfüllung geschändet worden war, für die er gedient und die Zeit besiegt hatte, so war ihm, als wollte sein Magen und Hirn sich umkehren, und er verzweifelte an seiner Seele. Lea aber wußte nichts mehr zu sagen und weinte nur manchmal ebenfalls, wie sie schon vorher mit der Schwester geweint. Denn sie sah, wie wenig sie es gewesen war, die ihn ein übers anderemal empfangen hatte, und nur der Gedanke, daß sie wahrscheinlich nun einmal jedenfalls einen starken Sohn namens Ruben von ihm empfangen habe, stärkte ihr zwischenein das Herz.
    Da ließ er sie und stürzte aus dem Zimmer. Fast wäre er gestrauchelt über Schläfer, die draußen lagen und überall in Haus und Hof, in der Unordnung des gestrigen Festmahls, auf Decken und Matten oder auch auf dem bloßen Boden, und in ihrem Rausche schliefen. »Laban!« rief er und stieg über die Leiber hinweg, die unwirsch grunzten, sich räkelten und weiterschnarchten. »Laban!« wiederholte er leiser seinen Ruf, denn Qual und Erbitterung und ungestümes Verlangen nach Rechenschaft vermochten nicht die Rücksicht in ihm zu ertöten auf die Schläfer des frühen Morgens nach schwerem Gelage. »Laban, wo bist du?« Und er kam vor Labans, des Hausherrn, Kammer, wo er einlag bei seinem Weibe Adina, pochte und rief: »Laban, komm heraus!«
    »Eh, eh!« antwortete Laban drinnen. »Wer ist es, der mich ruft ums Morgenrot, nachdem ich getrunken?«
    »Ich bin’s, du mußt herauskommen!« antwortete Jaakob.
    »So, so«, sagte Laban. »Der Eidam ist’s. Er sagt zwar ›ich‹, wie ein Kind, als ob daraus allein schon ein Mensch sich vernehmen könnte, aber ich erkenne seine Stimme und will hinausgehen, zu hören, was er mir schon ums Frührot zu künden hat, ungeachtet ich gerade des besten Schlafes genoß.« Und trat hervor im Hemd, verwirrten Haares und blinzelnd.
    »Ich schlief«, wiederholte er. »Ich schlief vorzüglich und wohltuend. Was schläfst nicht auch du oder treibst, was dein Stand dir gebeut?«
    »Es ist Lea«, sprach Jaakob bebenden Mundes.
    »Selbstredend«, entgegnete Laban. »Reißest du mich darum bei Tagesgrauen aus zukömmlichem Schlummer nach schwerem Trunk, um mir zu künden, was ich so gut weiß wie du?«
    »Du Drache, du Tiger, teuflischer Mann!« rief Jaakob außer sich. »Ich sage dir’s nicht, damit du’s erfährst, sondern um dir zu zeigen, daß auch ich es nun weiß, und um dich zur Rede zu stellen in meiner Qual.«
    »Achte vor allem auf deine Stimme und senke sie viel tiefer!« sprach Laban. »Das muß ich dir gebieten, wenn du’s dir nicht gebieten läßt von den Umständen, die sämtlich dafür sprechen. Denn nicht genug, daß ich dein Ohm und Schwieger bin und dein Brotherr obendrein, den zeternd anzuhauchen dir keineswegs zusteht, so liegen auch Haus und Hof voller schlafender Hochzeitsgäste, wie du siehst, die wollen in ein paar Stunden mit mir ausziehen zur Jagd, daß sie ihre Belustigung haben in der Wüste und im Röhricht des Sumpfes, wo wir den Vögeln Netze stellen wollen, dem Rebhuhn und der

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