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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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nicht weniger leicht, daß sein erstes Vorhaben, ihm gewalttätig zu begegnen, sehr bald durch scheue Bedenken gedämpft wurde. Auch war gegen die Mitnahme der Frauen, seiner Töchter, so gut wie nichts einzuwenden. Sie waren gekauft, sie waren Jaakobs mit Leib und Seele, und Laban selbst hatte einst den Bettler verachtet, der nicht gehabt hatte, wohin sie führen im Hochzeitszuge aus dem Haus ihrer Eltern. Wie hatten nun die Götter es anders gefügt und dem Manne gestattet, ihn auszuplündern! Indem er ihm auffahrend nachsetzte, glaubte er kaum, er tue es, um ihm den Reichtum mit Waffengewalt wieder abzunehmen, sondern ihn trieb es dunkel, den Schrecken über den endgültigen Verlust all dessen, was aus seiner Hand in die Jaakobs übergegangen war, dadurch zu lindern, daß er von dem glücklichen Diebe doch wenigstens Abschied nähme und zu einem Frieden mit ihm käme – dann würde ihm wohler sein. Und nur in einem Punkte schnob er wirklich Empörung und Wiederherausgabe: das war der Diebstahl der Teraphim. Unter den vagen und wirren Motiven seiner Verfolgungswut war dies das feste und handgreifliche: seine Hausgötzlein wollte er wiederhaben, und wer zu dem chaldäischen Geschäfts- und Vertragsmenschen trotz all seiner plumpen Härte ein wenig Neigung fassen konnte, den mag es noch heute kränken und wehmütig anmuten, daß er sie niemals wiederbekam.
    In seltsam friedlichen und geräuschlosen Formen vollzog sich die Vereinigung von Flüchtling und Verfolger, da man doch, nach Labans Aufbruchsgebärde zu schließen, etwas wie einen Zusammenprall hätte erwarten sollen. Die Nacht fiel ein über Gilead, und auf feuchter Höhenwiese hatte Jaakob soeben sein Lager aufspannen, die Kamele anpflocken, das Kleinvieh zusammenpferchen lassen, damit es sich aneinander wärme, als Laban schweigend anlangte, in schattenhaftem Schweigen auch sein Zelt aufschlagen ließ nahebei und darin verschwand, um diese Nacht überhaupt nichts mehr von sich merken zu lassen.
    In der Frühe aber ging er hervor und schweren Schrittes hinüber zu Jaakobs Gehänge, vor welchem dieser ihn etwas ratlos erwartete, und sie berührten Stirne und Brust und ließen sich nieder.
    »Es trifft sich höchst dankenswert«, eröffnete Jaakob die heikle Unterredung, »daß ich meinen Vater und Oheim noch einmal sehe. Möchten doch die Beschwerden der Reise sein körperliches Wohlsein in nichts zu mindern vermögend gewesen sein!«
    »Ich bin rüstig über meine Jahre«, erwiderte Laban. »Zweifellos warst du dir dessen bewußt, als du mir diese Reise auferlegtest.«
    »Wie nun das?« fragte Jaakob.
    »Wie nun das? Menschensohn, geh in dich und frage dich, wie du an mir getan hast, daß du dich wegstiehlst heimlich von mir und unserm Vertrage und führst mir roh die Töchter hinweg wie Schwertesbeute! Meiner Auffassung nach hättest du immerdar sollen bei mir bleiben nach dem Vertrage, der mich mein Blut kostete, aber an dem ich heilig festhielt nach Landessittsamkeit. Wenn es dich aber nicht litt und du fortbegehrtest so ungestüm in dein Erb und Eigen, warum tatest du deinen Mund nicht auf und redetest nicht vor mir wie ein Sohn? Wir hätten so spät noch nachgeholt, was im rechten Augenblick deine Umstände verhinderten, und hätten euch geleitet mit Cymbeln und Harfen auf dem Land- oder Wasserwege nach stattlicher Üblichkeit. Was aber hast du getan? Mußt du denn immer stehlen, bei Tag und Nacht, – und hast du kein Herz im Leibe und kein fühlsam Eingeweide, daß du mir Altem nicht gönnst, meine Kinder zu küssen zum letztenmal? Ich will dir sagen, wie du getan hast, du hast ganz töricht getan, das ist das Wort, das mir einfällt für deine Handlungsweise. Und wenn ich wollte und nicht gestern eine Stimme zu mir gekommen wäre im Traum – es war möglicherweise deines Gottes Stimme – und hätte mir abgeraten, mich mit dir einzulassen, so glaube du nur, daß meine Söhne und Knechte genug Erz hätten in ihren Armen, um dir die Torheit einzutränken, da wir dich einholten auf Diebesflucht!«
    »O ja«, erwiderte Jaakob da, »was wahr ist, muß wahr bleiben. Meines Brotherrn Söhne sind Eber und junge Löwen und hätten wohl gern schon seit längerem an mir gehandelt nach Eber- und Löwenart, wenn nicht am Tage, so doch in der Nacht, wenn ich schlief, du aber hättest willig geglaubt, ein reißend Tier sei’s gewesen, und hättest mich baß beweint. Fragst du, warum ich gezogen bin in der Stille und habe nicht lange Worte gemacht? Sollte ich mich

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