Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
abspiele in genauer Gegenwart! Todesfest, Höllenfahrt, bist du wahrlich ein Fest und eine Lustbarkeit der Fleischesseele, welche nicht umsonst dem Vergangenen anhängt, den Gräbern und dem frommen Es war. Aber auch der Geist sei mit dir und gehe ein in dich, damit du gesegnet seiest mit Segen oben vom Himmel herab und mit Segen von der Tiefe, die unten liegt!
    Hinab denn und nicht gezagt! Geht es etwa ohne Halt in des Brunnens Unergründlichkeit? Durchaus nicht. Nicht viel tiefer als dreitausend Jahre tief – und was ist das im Vergleich mit dem Bodenlosen? Dort tragen die Leute nicht Stirnaugen und Hornpanzer und kämpfen nicht mit fliegenden Echsen: es sind Menschen wie wir – einige träumerische Ungenauigkeit ihres Denkens als leicht verzeihlich in Abzug gebracht. Ähnlich redet der wenig bewanderte Mann sich zu, der reisen soll und den, da es ernst wird, Fieber und Herzklopfen plagen. Geht es denn schließlich, sagt er zu sich, ans Ende der Welt und aus aller Gewohnheit? Gar nicht, sondern nur da- oder dorthin, wo schon viele waren, einen Tag oder zwei von Hause. So auch wir in Hinsicht des Landes, das unser wartet. Ist es das Land, wo der Pfeffer wächst, das Land Ga-Ga, dermaßen neuartig, daß man sich an den Kopf greift in heller Fassungslosigkeit? Nein, sondern ein Land, wie wir’s öfters sahen, ein Mittelmeerland, nicht gerade heimatlich, etwas staubig und steinig, aber durchaus nicht verrückt, und über ihm gehen die Sterne, die wir kennen. So, mit Berg und Tal, mit Städten, Straßen und Rebenhügeln, mit seinem Fluß, der im grünen Dickicht trüb und eilig dahinschießt, breitet es sich in der Vergangenheit gleich den Brunnenwiesen des Märchens. Die Augen auf, wenn ihr sie in der Abfahrt verkniffet! Wir sind zur Stelle. Seht – schattenscharfe Mondnacht über friedlicher Hügellandschaft! Spürt – die milde Frische der sommerlich ausgestirnten Frühlingsnacht!

DIE GESCHICHTEN JAAKOBS
    ERSTES HAUPTSTÜCK
    AM BRUNNEN
    Ischtar
    Es war jenseits der Hügel im Norden von Hebron, ein wenig östlich der Straße, die von Urusalim kam, im Monat Adar, an einem Frühlingsabend, so mondhell, daß man Geschriebenes hätte lesen können und das Laubwerk des ziemlich kurzstämmigen, aber mit starkem Gezweige ausladenden Baumes, einer bejahrten und mächtigen Terebinthe, die hier einzeln stand, nebst ihren traubenförmigen Blüten vom Lichte kleinlich ausgearbeitet erschien, schimmernd versponnen und höchst genau zugleich. Der schöne Baum war heilig: Unterweisung war in seinem Schatten verschiedentlich zu gewinnen, sowohl aus Menschenmund (denn wer über das Göttliche aus Erfahrung etwas mitzuteilen hatte, versammelte Zuhörer unter seinen Zweigen) als auch auf höhere Weise. Wiederholt nämlich war Personen, die, das Haupt an den Stamm gelehnt, einen Schlaf getan hatten, im Traume Verkündigung und Bescheid zuteil geworden, und auch bei Brandopfern, von deren Gebräuchlichkeit an dieser Stelle ein steinerner Schlachttisch mit geschwärzter Platte Zeugnis gab, auf dem eine kleine, leicht rauchende Flamme lebte, war oft im Laufe der Zeit durch das Verhalten des Rauches, durch bedeutsamen Vogelflug und selbst durch Himmelszeichen eine besondere Aufmerksamkeit erhärtet worden, deren solche fromme Handlungen zu Füßen des Baumes sich erfreuten.
    In der Umgebung gab es der Bäume mehr, wenn auch so ehrwürdige, wie der gesondert stehende, sonst nicht: von derselben Gattung sowohl, wie auch großbelaubte Feigenbäume und Steineichen, die aus ihren Stämmen Luftwurzeln in den zertretenen Grund entsandten und deren beständiges, vom Monde gebleichtes Grün, zwischen Nadel und Laub die Mitte haltend, dornige Fächer bildete. Hinter den Bäumen, gegen Mittag und in der Richtung des Hügels, welcher die Stadt verdeckte, auch noch ein Stück an seiner Schräge hinauf, waren Wohnungen und Viehställe gelegen, und es tönte von dorther zuweilen das hohle Gebrüll eines Rindes, das Schnauben eines Kamels oder eines Esels mühselig ansetzender Jammer durch die stille Nacht daher. Gegen Mitternacht aber war die Aussicht frei, und hinter einer großfugigen, bemoosten, aus zwei Schichten roh behauener Quadern errichteten Mauerumfriedung, die den Ort um den Orakelbaum einer Terrasse mit niedriger Brüstung ähnlich machte, breitete sich im Schimmer des schon hoch am Himmel stehenden, zu drei Vierteln vollen Gestirnes eben Land in die Weite bis zu langwelligen Hügeln, die den Horizont schlossen: ein mit Ölbäumen und

Weitere Kostenlose Bücher