Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Adels und einer Auszeichnung bewußt war und, eben als Selbstbewußtsein höherer Sorge und Kümmernis, der Person des Vaters all die Würde, Gehaltenheit, Feierlichkeit verlieh, die ihre Wirkung vervollständigten! Rastlosigkeit und Würde – das ist das Siegel des Geistes, und mit kindlich scheuloser Neigung erkannte Joseph das überlieferte Gepräge auf der Stirn des väterlichen Gebieters, obgleich seine eigene Prägung nicht diese, sondern, stärker von seiner reizenden Mutter her bestimmt, heiterer und unbesorgter war und seine umgängliche Natur sich leichter in Gespräch und Mitteilsamkeit löste. Wie hätte er aber den sinnenden und sorgenden Vater scheuen sollen, da er sich so sehr von ihm geliebt wußte? Die Gewohnheit, geliebt und vorgezogen zu sein, entschied über sein Wesen und gab ihm die Farbe; sie entschied auch über seine Beziehung zum Höchsten, den er sich, sofern es erlaubt war, ihm eine Gestalt zuzuschreiben, genau wie Jaakob vorstellte, indem er ihn sozusagen als eine höhere Wiederholung des Vaters empfand und von ihm geradeso geliebt zu sein wie von jenem treuherzig überzeugt war. Wir wollen hier vorläufig und noch von weitem sein Verhältnis zum Adon des Himmels als »bräutlich« bezeichnen, – wie denn Joseph von babylonischen Frauen wußte, welche, der Ischtar oder Mylitta heilig, ehelos aber zu frommer Hingabe verpflichtet, in Tempelzellen wohnten und »Reine« oder »Heilige«, auch »Bräute Gottes«, »enitu«, genannt wurden. Vom Lebensgefühl dieser enitu war etwas in seinem, also auch von Strenge und Verlobtheit etwas und weiter, im Zusammenhange damit, ein gewisser Einschlag von spielender Phantasterei, der uns zu schaffen machen wird, wenn wir erst unten bei ihm sind, und der die Form sein mochte, in welcher das Erbe des Geistes in seinem Falle sich äußerte.
Dagegen verstand oder billigte er, bei aller Verbundenheit, die Form nicht ganz, die es in seines Vaters Falle angenommen hatte: die Sorge, den Gram, die Unrast, – sich äußernd in unüberwindlicher Abneigung gegen ein gegründet seßhaftes Dasein, wie es seiner Würde doch unbedingt wohl angestanden hätte, in seiner immer nur vorläufigen, beweglich-stegreifmäßigen und halb unbehausten Lebenshaltung. Auch er war doch ohne Zweifel von Ihm geliebt, betreut und vorgezogen, – ja, wenn Joseph das war, so sicherlich vor allem um seinetwillen. Gott Saddai hatte ihn reich gemacht in Mesopotamien an Vieh und allerlei Gut, und inmitten der Söhneschar, dem Weibertroß, den Hirten, den Knechten hätte er ein Fürst sein können unter den Fürsten des Landes und war es auch, nicht nur nach äußerem Gewicht, sondern von Geistes wegen, als »nabi«, das ist »Verkünder«, als ein Wissender, Gotterfahrener und Hochgescheiter, als einer der geistigen Führergreise, auf die das Erbe des Chaldäers gekommen war und in denen man jeweils seine leiblichen Nachkommen erblickt hatte. Nicht anders als in den ausgesuchtesten und umständlichsten Formen verkehrte man mit ihm bei Unterhandlungen und Kaufverträgen, indem man ihn »mein Herr« nannte, von sich selbst aber nur in sehr wegwerfenden Ausdrücken sprach. Warum lebte er nicht mit den Seinen als besitzender Bürger in einer der Städte, in Hebron selbst, Urusalim oder Sichem, in einem festen Hause aus Stein und Holz, unter welchem er seine Toten hätte bestatten können? Warum zeltete er wie ein Ismaelit und Beduine der Wüste außer der Stadt und in offenem Lande, so daß er die Burg von Kirjath Arba nicht einmal sah, bei dem Brunnen, den Höhlengräbern, den Eichen und Terebinthen, in jederzeit aufhebbarem Lager, so, als dürfe er nicht bleiben und wurzeln mit den Anderen, als müsse er von Stunde zu Stunde der Weisung gewärtig sein, die ihn antreiben würde, Hütten und Ställe niederzulegen, Gestänge, Filz und Felle den Lastkamelen aufzupacken und weiterzuziehen? Joseph wußte natürlich, warum. Es mußte so sein, weil man einem Gotte diente, dessen Wesen nicht Ruhe und wohnendes Behagen war, einem Gotte der Zukunftspläne, in dessen Willen undeutliche und große, weitreichende Dinge im Werden waren, der eigentlich selbst, zusammen mit seinen brütenden Willens- und Weltplänen, erst im Werden und darum ein Gott der Beunruhigung war, ein Sorgengott, der gesucht sein wollte und für den man sich auf alle Fälle frei, beweglich und in Bereitschaft halten mußte.
Mit einem Worte: es war der Geist, der würdig machende und auch wieder entwürdigende Geist, der es dem
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