Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Blutsbräutigam, – es ist eigentümlich genug. Grundsätzlich tragen sie alle das Kraut und sind aufgespart ihrem Gotte gleich einer Braut. Aber unter ihnen erliest er sich noch einen besonders als Ganzopfer, daß er ausdrücklich den Schmuck trage geweihter Jugend und sei dem Eifrigen aufgespart. Und, denke dir, so einer ist Osarsiph! Sie wissen, sagte er, etwas, was sie die Sünde nennen und den Garten der Sünde, und haben sich auch noch Tiere ersonnen, die aus den Zweigen des Gartens lugen und die man sich wohl nicht häßlich genug vorstellen kann: drei an der Zahl, mit Namen ›Scham‹, ›Schuld‹ und ›Spottgelächter‹. Nun frage ich dich aber zweierlei: Kann man sich einen besseren Diener und Hausmeister wünschen als einen, der zur Treue geboren ist und von Hause aus die Sünde fürchtet wie dieser? Und ferner: Sagte ich zuviel, als ich von Berührungspunkten sprach zwischen dir und dem Jüngling?«
Ach, wie erschrak Mut-em-enet bei diesen Worten! Hatte es sie zehrend geschmerzt, von den Jungfrauen zu hören, die mit Ringen nach Joseph warfen, so war das nichts gewesen, ja etwas wie ein Vergnügen im Vergleich mit dem kalten Schwerte, das sie durchfuhr, als sie die Gründe vernahm, aus denen die Töchter der Stadt seine Augen nicht auf sich zu lenken vermocht hatten. Eine furchtbare Angst, der Ahnung gleich, was alles sie würde um ihn zu leiden haben, überkam sie, und bleicher Gram malte sich offen in ihrem aufwärts gewandten Gesicht. Man mache nur den Versuch, sich in ihre Lage zu versetzen, die zu allem übrigen sogar der Lächerlichkeit nicht entbehrte! Um was kämpfte sie hier und rang mit Potiphars Starrsinn, wenn er die Wahrheit sprach? Wenn der augenöffnende Heilstraum, den sie geträumt und der sie hierher getrieben, gelogen hatte? Wenn derjenige, vor dem sie ihr Leben und das ihres Herrn, des Titelobersten, zu erretten sich abmühte, ein Ganzopfer war, versprochen, beeifert und vorenthalten? In welche Verirrung hatte sie gefürchtet, sich zu verirren? Sie hatte nicht die Kraft und glaubte es sich nicht gönnen zu dürfen, mit der Hand ihre Augen zu verdecken, die, ins Leere starrend, die drei Tiere des Gartens zu schauen meinten: Scham, Schuld und Spottgelächter, von denen das letztere gleich einer Hyäne wieherte. Es war unerträglich. Fort, fort, dachte sie überstürzt, nur fort nun erst recht mit ihm, von dem mir Heilsträume lügen, die schändlich und aberschändlich sind, da ich vergebens, ach, ganz vergebens auch noch, auf ihn den Ring meines Fingers würfe! Ja, ich kämpfe recht und muß weiter kämpfen, gerade nun erst, wenn dem so ist! Glaube ich’s aber, und hoffe ich nicht vielmehr insgeheim mit triumphierender Zuversicht, daß mein Heilsverlangen sich stärker erweisen wird als seine Verlobtheit, daß es sie überwinden und er meinem Blicke folgen wird, um mir das Blut zu stillen? Hoffe und fürchte ich das nicht mit einer Kraft, die ich im Grunde für unwiderstehlich halte? Nun denn, so ist’s am Tage noch einmal und immer noch, daß er mir aus den Augen und aus dem Hause muß um meines Lebens willen. Da sitzt mein Gatte mit feisten Armen, ein Turm; Dûdu, der zeugende Zwerg, reicht ihm nur bis zum Schienbein. Er ist Truppenoberst. Von ihm und seinem Gewähren habe ich Heil zu erwarten und Rettung, von ihm allein! – Und es war wie ein Zurückflüchten zu dem trägen Gemahl, der der nächste war, daß sie die Kraft ihres Heilsverlangens an ihm erprobe, als sie das Wort wieder aufnahm und ihm mit klingender, singender Stimme zur Antwort gab:
»Laß mich nicht eingehen auf deine Rede und dir nicht streitend erwidern darauf, mein Freund, um sie zu widerlegen. Es wäre müßig. Was du mir sagst, taugt nicht zum Gegenstande des Streitens, ja, du brauchtest es gar nicht zu sagen, sondern statt dessen nur einzusetzen: ›Ich will nicht.‹ Alles dies ist nichts als Kleid und Gleichnis deiner Unbeugsamkeit, und nur die erzene Festigkeit deiner Beschlüsse, dein granitener Wille treten mir eindrucksvoll daraus entgegen. Sollte ich die wohl bestreiten in zänkischem, nichts vermögendem Wortstreit, da ich sie doch liebe und zärtlich bestaune nach Weibesart? Nun aber bin ich des anderen gewärtig, was wenig oder nichts wäre ohne jenes, aus ihm aber herrlichen Preis gewinnt: Ich warte auf deine gewährende Nachgiebigkeit. In dieser Stunde, die nicht wie andere Stunden ist, dieser Stunde zu zweien, voll von Gewärtigung, in der ich zu dir kam, dich zu bitten, wird dein
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