Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Pfeilerbögen. Dort stand sie einen Augenblick still, von ihrem Kleide einige Falten in der Hand, die sie gegen eine der gebrechlichen Säulen stützte, die Stirn an die Hand gelehnt, das Gesicht in den Falten verborgen. Niemand hat hinter diese Falten geschaut und in Muts verborgenes Antlitz. –
Dann klatschte sie in die Hände und trat hinaus.
Dreifacher Austausch
Nach Aufzeichnung dieses Gespräches nun sind wir in der Geschichte so weit hinabgelangt, daß wir an dem Punkt weiter oben wieder anknüpfen mögen, wo auf die seltsame Sternfigur, zu der im Schüttelspiel des Lebens die Umstände hier zusammenfielen, vorschauend-vorläufig hingewiesen wurde. Denn es hieß dort: um dieselbe Zeit, als die Herrin scheinbar ernstliche Anstrengungen gemacht habe, Joseph aus Potiphars Haus zu entfernen, was bis dahin doch Dûdu's, des Ehezwerges, Betreiben gewesen, habe dieser, der Kleiderbewahrer, angefangen, dem Joseph süße Worte zu geben und seinen ergebenen Freund zu spielen, nicht nur vor ihm selbst, sondern auch vor der Herrin, der er ihn auf alle Weise gerühmt und gepriesen habe. Genau so war es; wir haben dort oben kein Wort zuviel gesagt. Es kam aber daher, daß Dûdu begriff und gewahr wurde, wie es um Mut-em-enet stand und woher ihr Bestreben kam, sich den Jüngling Osarsiph aus den Augen zu schaffen: Er entdeckte es kraft des sonnenhaften Vermögens, dessen sein Unterwuchs gewürdigt war und das er, je überraschender es diesem anstand, desto angelegentlicher ehrte und kultivierte, so daß er in der Tat auf diesem Gebiet als gewitzter Sachkenner und Experte gelten konnte, feinfühlig-spürnäsig in Hinsicht auf alle Vorgänge in dieser Sphäre, – wieviel ihm sonst auch an Zwergenwitz und -weisheit gerade durch die gewichtige Gabe mochte entgangen sein.
Nicht lange also, so war er klug daraus geworden, was er mit seinen patriotischen Klagen über Josephs Wachstum bei der Herrin angerichtet oder zum mindesten befördert hatte, – sogar bedeutend früher als sie selber wurde er stutzend klug daraus; denn anfänglich kam ihre stolze Unwissenheit, die noch nicht an Vorsichtsmaßnahmen dachte, ihm zu Hilfe dabei, später aber, als auch ihr die Augen geöffnet waren, die allgemeine Unfähigkeit der Ergriffenen und Betörten, vor den Menschen ein Hehl aus ihrem Zustand zu machen. So erkannte Dûdu, daß die Herrin in vollem Zuge war, sich unaufhaltsam, elendiglich und mit dem ganzen Ernst ihrer Natur in den ausländischen Leib- und Lesediener ihres Gemahls zu verlieben, und er rieb sich die Hände darob. Es war nicht erwartet und vorgesehen von seiner Seite, aber es konnte, so fand er, dem Hergelaufenen zu einer tieferen Grube werden als jede, die man ihm sonst hätte graben können; und so entschloß sich denn Dûdu von heut auf morgen zu einer Rolle, die nach ihm öfters gespielt worden ist, die aber auch er, schon spät daran immerhin in der Menschenzeit, wohl kaum zum ersten Male spielte, sondern bei deren Betreuung und Erfüllung er mutmaßlich, so wenig berichtet wir über seine Vorgänger sind, in tief ausgetretenen Spuren wandelte: als arger Gönner und Postillon verderblicher Wechselneigung begann der Zwerg hin und her zu gehen zwischen Joseph und Mut-em-enet.
Vor ihr veränderte er geschickt seine Rede in dem Maße, wie er, zuerst vermutungsweise und dann mit Gewißheit, ihr Herz erkannte. Denn sie ließ ihn zu sich kommen in der Sache, um derentwillen er sonst sich zu ihr gedrängt hatte, um zu klagen, und begann von sich aus mit ihm über das Ärgernis zu sprechen, was er anfangs als Zeichen nahm, daß er sie seinem Haß gewonnen und sie lebhaft gemacht habe im Dienst desselben. Bald aber verstand er sie witternd besser, denn ihre Redeweise wollte ihm seltsam scheinen.
»Vorsteher«, sagte sie (zu seiner Freude nannte sie ihn einfach so, obgleich er nur ein Unterverwalter, nämlich der Kleider und Schmuckkästen war), »Vorsteher, ich habe Euch vor mich gerufen durch einen der Türhüter des Frauenhauses, zu dem ich eine Nubierin sandte, weil ich vergebens wartete, daß Ihr von selbst erschient zur notwendigen Fortsetzung unserer Beratungen in jener Angelegenheit, die ich so nenne, weil sie Euch angelegen ist, und auf die Ihr meine Aufmerksamkeit lenktet. Ich muß Euch gelinde Vorwürfe machen, schonend in Hinsicht auf Eure Verdienste einerseits und Euer Zwergentum andererseits, daß Ihr nicht von selbst und aus eigenem Antriebe Euch wieder einfandet zu diesem Ende, sondern mich qualvoll warten
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