Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
ihr so geradehin Worte geliehen hatte, ohne sich allerdings auch nur entfernt soviel dabei zu denken wie Mut, das beförderte jene Lockerung in ihrem Inneren, von der ihre Mitteilsamkeit an die Frauen schon ein Zeichen gewesen war, und sie fing an, den Jungmeier ihrer Schwäche und Verfallenheit zu bedeuten in Tat und Wort.
Die Taten angehend, so waren es Deuthandlungen von kindlicher und im Grunde rührender Art, Aufmerksamkeiten der Herrin für den Knecht, zu deren stark aufgetragener Symbolik das rechte Gesicht zu machen für diesen nicht leicht war. Eines Tages zum Beispiel – und öfters nach diesem ersten Mal – empfing sie ihn zur Wirtschaftsaudienz in asiatischer Tracht, einem reichen Gewande, zu dem sie sich die Stoffe in der Stadt der Lebenden im Handelsgewölbe eines bärtigen Syrers hatte erstehen lassen und das die Schneidersklavin Cheti ihr emsig gefertigt hatte. Es war bunt wie nie ein ägyptisch Kleid, sah aus, als ob zwei gestickte Wolltücher, ein blaues und ein rotes, ineinandergewunden seien, und war zu den Stickereien noch an allen Säumen mit farbigen Borten besetzt, sehr üppig und ausländisch. Schulterklappen, ganz echt nach dem Stile, bedeckten die Achseln, und über den ebenfalls bunt gestickten Kopfbund, Sânîp geheißen im Heimatgebiet dieser Mode, hatte Eni das obligate Schleiertuch geworfen, das bis zu den Hüften und tiefer fiel. So angetan, blickte sie dem Joseph mit vom Bleiglanz zugleich und von ängstlich-schelmischer Erwartung vergrößerten Augen entgegen.
»Wie fremd und herrlich du mir erscheinst, hohe Herrin«, sagte er mit betretenem Lächeln, denn er deutete sich’s.
»Fremd?« fragte sie ebenfalls lächelnd, gezwungen, zärtlich und wirr. »Eher vertraut, denke ich, und im Bilde der Töchter deines Landes sollte ich dir erscheinen in dem Kleid, das ich zur Abwechslung heut einmal anlegte, – wenn es das ist, worauf du zielst.«
»Vertraut«, sagte er mit niedergeschlagenen Augen, »ist mir wohl das Kleid und der Schnitt des Kleides, aber fremd noch ein wenig an dir.«
»Du findest nicht, daß es mir läßt und mir vorteilhaft ansteht?« fragte sie mit zagender Herausforderung.
»Der Stoff«, antwortete er gehalten, »müßte erst noch gewoben und das Kleid erst geschnitten werden, das nicht, und wär’s ein härener Sack, deiner Schönheit dienen müßte, Gebieterin.«
»Ei, wenn’s ganz gleich ist und ist einerlei, was ich trage«, versetzte sie, »so war es verlorene Müh mit diesem Gewande. Ich legte es aber an zu Ehren deines Besuches und um dir zu erwidern. Denn du, Jüngling von Retenu, trägst dich ägyptisch bei uns, indem du dich artig erweist unserer Sitte. Da gedachte ich, nicht zurückzustehen für mein Teil und dir in deiner Mütter Tracht zu begegnen im Austausch. So haben wir die Kleider getauscht, festlicherweise. Denn etwas Gottesfestliches ist es um solchen Tausch von alters, wenn sich in Weibertracht ergehen die Männer und im Kleide des Mannes das Weib und die Unterschiede dahinfallen.«
»Laß mich dazu anmerken«, erwiderte er, »daß solch ein Brauch und Dienst mich nicht sonderlich anheimelt. Denn es liegt etwas Taumelhaftes darin und ein Dahinfall der Gottesbesonnenheit, der meine Väter nicht freuen wollte.«
»So hab’ ich’s verfehlt«, sagte sie. »Was bringst du Neues vom Hause?«
Sie war tief gekränkt, weil er nicht zu verstehen schien (er verstand es übrigens), welches Opfer sie ihm und ihrem Gefühle brachte, indem sie, das Amunskind, Nebenfrau des Gewaltigen und Parteigängerin seiner Strenge, der Ausländerei huldigte in ihrem Kleide, weil der Geliebte ein Ausländer war. Süß war ihr das Opfer gewesen und dünkte sie eine Seligkeit, sich ihrer Staatsgesinnung zu entäußern um seinetwillen; und sehr unglücklich war sie nun, weil er’s so matt aufgenommen. Ein andermal war sie glücklicher, obgleich die Deuthandlung sogar von noch größerer Selbstentäußerung zeugte.
Ihr Wohngemach, die Vorzugsstätte ihrer Zurückgezogenheit im Frauenhause, war eine gegen die Wüste gelegene kleine Halle, die man so nennen konnte, weil ihre hölzern gerahmte Türe breit offen und der Aussichtsraum von zwei Pfeilern unterbrochen war, die schlichte Rundhäupter und vierekkige Tragflächen unterm Gesimse hatten, doch basenlos auf der Schwelle standen. Der Blick ging auf einen Hof, mit niedrigen weißen Baulichkeiten zur Rechten, unter deren flachen Dächern Wohnungen der Nebenfrauen lagen und an die eine höhere Architektur,
Weitere Kostenlose Bücher