Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
pylonartig, mit Säulen stieß. Eine Lehmmauer, schulterhoch, lief quer dahinter hin, so daß man draußen kein Land, sondern nur Himmel sah. Das Sälchen war fein und einfach, nicht sonderlich hoch; schwarz lagen die langen Schatten der Pfeiler auf seinem Estrich; Wände und Decke zeigten schlichten zitronenfarbenen Bewurf, und nur unter dieser lief ein in blassen Farben gemaltes Schmuckband hin. Es stand nicht viel mehr in dem Raum als ein zierliches Ruhebett in seinem Hintergrunde mit Kissen darauf und Fellen davor. Hier wartete Mut-em-enet oft auf Joseph.
Er pflegte auf dem Hof zu erscheinen und die Handflächen gegen das Gemach und die dort ruhende Frau zu erheben, die Rechnungsrollen unter den einen Arm geklemmt. Dann gewährte sie’s ihm, daß er eintrete und vor ihr redete; an einem Tage aber entdeckte er gleich, daß etwas verändert war im Salon, was ihre Blicke meinten, die ihm mit ebenso froh befangenem Ausdruck entgegengingen wie damals, als sie das syrische Kleid getragen; doch stellte er sich, als sähe er nichts, grüßte sie mit gewählten Worten und fing schon von den Geschäften zu reden an, bis sie ihn mahnte:
»Sieh dich um, Osarsiph! Was siehst du Neues bei mir?«
Neu mochte sie es wohl nennen, was man bei ihr sah. Kaum sollte man’s glauben: auf einem gewirkbedeckten Altartisch an der Rückwand des Zimmers stand in offenem Kapellenschrein eine vergoldete Statuette des Atum-Rê!
Der Herr des Horizontes war gar nicht zu verkennen: er sah aus wie sein Schriftzeichen; mit hochgezogenen Knien saß er auf einem kleinen, vierekkigen Postament, den Falkenkopf auf den Schultern, die längliche Sonnenscheibe zum Überfluß noch oben darauf, aus welcher vorne der Blähkopf und hinten der Ringelschwanz des Uräus hervorkam. Auf einem Dreifuß zur Seite des Altars lagen gestielte Räucherpfannen, auch Werkzeug zum Feuerschlagen und Kügelchen des Wohlgeruchs in einer Schale.
Erstaunlich und fast unglaublich! Sehr rührend dabei und kindlich kühn als Mittel und Redeweise für das Ausdrucksverlangen ihres Herzens! Die Herrin Mut vom Frauenhause des Rinderreichen, Sängerin ihm, dem widderstirnigen Reichsgott, und heilige Tänzerin; seines staatsklugen Ober-Blankschädels Vertraute; Parteigängerin seines volksfromm-erhaltenden Sonnensinnes, – sie hatte dem Herrn des weiten Horizontes, an dem Pharao’s Denker sich denkend versuchten, dem weltläufig-verbindlich ausblikkenden und fremdfreundlichen Bruder asiatischer Sonnenherren, dem Rê-Horachte-Atôn von On an der Spitze des Dreiecks, in ihrem eigensten Bereich eine Stätte errichtet! So drückte ihre Liebe sich aus, in diese Sprache flüchtete sie, – die Sprache des Raumes und der Zeit, die ihnen beiden, der Ägypterin und dem ebräischen Knaben, gemeinsam waren. Wie hätte er sie nicht verstehen sollen? Er hatte schon längst verstanden, und man muß ihm Ergriffenheit nachrühmen in diesem Augenblick: was er empfand, war eine mit Schrecken und Sorge gemischte Freude. Diese ließ ihn das Haupt senken.
»Ich sehe deine Andacht, Gebieterin«, sagte er leise. »In etwas erschreckt sie mich. Denn wie, wenn Beknechons, der Große, dich heimsuchte und sähe, was ich sehe?«
»Ich fürchte Beknechons nicht«, antwortete sie mit bebendem Triumph. »Pharao ist größer!«
»Er lebe, sei heil und gesund«, murmelte er mechanisch. »Du aber«, setzte er wieder sehr leise hinzu, »bist dem Herrn von Epet-Esowet zu eigen.«
»Pharao ist sein leiblicher Sohn«, erwiderte sie so rasch, daß man sah: sie war vorbereitet. »Dem Gott, den er liebt, und den zu ergründen er seinen Weisen befiehlt, werde auch ich wohl dienen dürfen. Wo wäre ein älterer, größerer in den Ländern? Er ist wie Amun, und Amun ist wie er. Amun hat sich mit seinem Namen genannt und gesprochen: ›Wer mir dient, dient dem Rê.‹ So dien’ ich dem Amun auch, wenn ich diesem diene!«
»Wie du meinst«, antwortete er leise.
»Wir wollen ihm räuchern«, sagte sie, »bevor wir die Geschäfte des Hauses bedenken.«
Und sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn vor das Bild, zu dem Dreifuß mit den Opfergeräten.
»Lege Weihrauch ein«, befahl sie (sie sagte »senter neter« in der Sprache Ägyptens, das ist: »der göttliche Geruch«), »und brenne an, wenn du die Güte haben willst!« Aber er zögerte.
»Es ist nicht gut für mich, Herrin«, sagte er, »einem Bilde zu räuchern. Es ist ein Verbot unter den Meinen.«
Da sah sie ihn an, stumm, mit so unverhohlenem Schmerz, daß
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