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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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er wieder erschrak, und in ihrem Blick stand geschrieben: »Du willst nicht mit mir räuchern dem, der mir erlaubt, dich zu lieben?«
    Er gedachte aber Ons an der Spitze, der milden Lehren seiner Lehrer und des Vaters-Großpropheten daselbst, dessen Lächeln besagen wollte, daß, wer dem Horachte opfere, es zugleich seinem eigenen Gotte tue im Sinne des Dreiecks. Darum antwortete er auf ihren Blick:
    »Ich will dir gerne der Beisteher sein, will einlegen und anbrennen und dir ministrieren beim Opfer.«
    Und er legte von den Pillen aus Terebinthenharz in die Pfanne, schlug Feuer und brannte an und gab ihr den Stiel, daß sie räuchere. Und während sie den Würzrauch aufsteigen ließ vor Atums Nase, hob er die Hände und diente dem Duldsamen mit Vorbehalt, indem er auf schonendes Vorübergehen vertraute. Eni’s Brust aber ging hoch von dieser Deuthandlung bei dem ganzen häuslichen Vortrag, der nachfolgte. –
    Solcher Art waren die Taten, mit denen sie ihm ihr Verlangen gestand; aber auch der Worte entschlug sich die Arme nicht länger. Ja, ihre Sucht, den Geliebten ebendas wissen zu lassen, was sie ihm lange auf Tod und Leben zu verbergen gesucht hatte, war nach erfolgter Lockerung übermächtig; und da sie überdies von dem hin und her gehenden Dûdu beständig dahin beraten und dazu angefeuert wurde, die Unterhaltung vom Gegenständlichen weg aufs Persönliche zu bringen, damit sie dem Bösewicht auf die Schliche käme und ihn »zu Falle brächte«, – so zerrte sie immerdar mit fiebernden Händen an der hauswirtschaftlichen Hülle des Gesprächs, seinem Feigenschurz, um es davon zu entkleiden und es auf die Wahrheit und Nacktheit des Du und Ich zurückzuführen, – ohne zu ahnen, welche abschreckenden Gedankenverbindungen sich für Joseph an die Idee der »Entblößung« knüpften: kanaanitische Gedankenverbindungen voller Warnung vor Unerlaubtem und jederlei trunkener Schamlosigkeit, zurückgehend bis zu dem Orte des Anfangs, wo es zur durchdringenden Begegnung von Nacktheit und Erkenntnis gekommen und die Unterscheidung von Gut und Böse aus dieser Durchdringung entsprungen war. Mut, solcher Überlieferung fremd und bei allem Sinn für Ehre und Schande ganz ohne tieferes Verständnis für die Idee der Sünde, von der sogar die Wortchiffer ihrem Vokabulare fehlte, vor allen Dingen nicht im mindesten gewohnt, diese Idee gerade mit der Nacktheit zu verbinden, konnte nicht wissen, welchen vorpersönlich-blutsüberkommenen Baalsschrecken die Entblößung des Gesprächs in ihrem Jüngling aufregte. Sooft er diesem das sachliche Gewand wieder vortun wollte, zog sie es ihm ab und nötigte ihn, statt von den Dingen der Wirtschaft, von sich selbst, seinem Leben und Vorleben zu sprechen, befragte ihn nach seiner Mutter, deren er schon früher vor ihr gedacht, vernahm von ihrer sprichwörtlichen Lieblichkeit und hatte von da nur einen Schritt zu seinem persönlichen Erbgut an Hübschheit und Schönheit, das mit lächelnden Worten erst zu erwähnen, dann aber mit tiefer und inniger lautenden zu rühmen und leidenschaftlich anzusprechen sie sich nicht mehr versagte.
    »Selten«, sagte sie, in einem breiten Armstuhl lehnend, der auf dem Schwanzende eines Löwenfelles stand, während der Kopf des Beutetieres dem Joseph mit klaffendem Rachen zu Füßen lag, – »selten«, antwortete sie auf seine vorangegangene Aussage, die eigenen Füße in erzwungener Ruhe auf dem Polsterschemel gekreuzt, »sehr selten geschieht es, daß man von einer Person erzählen hört und ihre Beschreibung empfängt, während zugleich das erläuternde Bild der Beschreibung sie uns gegenwärtig veranschaulicht. Es ist eigentümlich, ja wundersam für mich, die Augen jener Lieblichen, des Mutterschafs, in ihrer freundlichen Nacht, unter denen der Mann aus Westen, dein Vater, Tränen der Ungeduld wegküßte in langer Wartezeit, auf mich gerichtet zu sehen, da ich von ihnen höre; denn nicht umsonst sagtest du, daß du der Erharrten gleichst in dem Grade, daß sie in dir lebte nach ihrem Tode und dein Vater euch in Verwechselung liebte, Mutter und Sohn. Du siehst mich ja mit ihren Augen an, Osarsiph, während du sie mir als überaus schön beschreibst. Ich aber wußte so lange nicht, woher du diese Augen hast, die dir nach allem, was ich höre, die Herzen der Menschen gewinnen auf den Land- und Wasserwegen; sie waren bisher, wenn ich mich so ausdrücken darf, eine abgerissene Erscheinung. Es ist aber willkommen und angenehm, um nicht zu sagen

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