Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
er ins Wasser gedrängt werden werde und darum sein Heil im Abbruch des Spiels und beim Apotheker suche. Kurzum, sie hielt ihn auf seinem Sessel fest mit wunder Kinderrede und beklemmender Neckerei, denn unwillkürlich paßte sie der Hilflosigkeit ihrer Zunge auch ihre Ausdrucksweise an und sprach in jeder Beziehung wie ein Kleines, indem sie auch ihrer gespannten Leidensmiene einen Ausdruck törichter Lieblichkeit zu geben versuchte. Wir ahmen nicht weiter nach, wie sie von Piel und Teinen und Auschfüchten stammelte, denn es könnte scheinen, als wollten wir sie verhöhnen, da sie doch den Tod im Herzen hatte und im Begriffe war, all ihren Stolz und geistige Ehre hinzuwerfen aus übermächtigem Verlangen, ihres Fleisches Ehre dafür zu gewinnen in Erfüllung des Heilstraumes, den sie geträumt.
Demjenigen, der ihr dieses Verlangen eingeflößt, war es ebenfalls tödlich ums Herz, und das mit Recht. Er wagte nicht aufzublicken vom Brett und zerrte die Lippe, denn sein Gewissen sprach gegen ihn. Trotzdem spielte er verständig, er konnte nicht anders, und es wäre schwer zu sagen gewesen, ob sein Verstand ihn meisterte oder er seinen Verstand. Auch sie zog ihre Steine, hob sie und setzte sie, aber auf so zerrüttete Weise, daß sie nicht nur bald ohne Ausweg und über und über geschlagen war, sondern es nicht einmal merkte und ins Unsinnige weitersprang, bis seine Reglosigkeit sie zur Besinnung rief und sie mit überspanntem Lächeln auf den Wirrwarr ihres Ruins hinabstarrte. Er wollte dem krankhaften Augenblick vernünftig gesetzte und höfliche Rede leihen, in dem Wahn, ihn damit heilen, ordnen und retten zu können; darum sagte er mäßig:
»Wir müssen’s, Herrin, noch einmal beginnen, jetzt oder ein andermal, denn dieser Gang schlug uns fehl, gewiß weil ich linkisch eröffnete, und kann keines mehr weiter, wie du wohl siehst: du nicht, weil ich nicht, und ich nicht, weil du, – von beiden Seiten ist verspielt dieses Spiel, so daß man sich füglich der Rede müßigt von Sieg oder Niederlage, denn beider Spieler ist beides ...«
Dies letzte sagte er stockend bereits und ohne Ton, nur weil er im Zuge war, und nicht mehr, weil er noch hoffen konnte, die Lage zu retten und zu besprechen, denn unterdessen schon war es geschehen und ihr Haupt und Gesicht waren auf seinem Arm, der am Rande des Spieles lag, niedergebrochen, so daß ihr mit Gold- und Silberpuder bestäubtes Haar die ruhenden Löwen verschob auf dem Brett und der heiße Hauch ihres Fiebergestammels und verlorenen Gelispels seinen Arm beschlug, das wir aus Ehrfurcht vor ihrer Not nicht nachahmen in seiner kranken Kindlichkeit, das aber seinem Sinn und Unsinn nach lautete wie:
»Ja, ja, nicht weiter, wir können nicht weiter, verspielt ist das Spiel, und uns bleibt nichts als die Niederlage zu zweien, Osarsiph, du schöner Gott aus der Ferne, mein Schwan und Stier, mein heiß und hoch und ewig Geliebter, daß wir zusammen ersterben und untergehn in die Nacht verzweifelter Seligkeit! Sag, sage doch und sprich frei, da du mein Antlitz nicht siehst, weil es auf deinem Arme liegt, endlich auf deinem Arm, und meine verlorenen Lippen dein Fleisch und Blut streifen, indem sie dich bitten und zu dir beten, daß du mir freihin gestehst, ohne meine Augen zu sehen, ob du denn nicht mein süßes Billett bekommen hast, das ich dir schrieb, bevor ich mich in die Zunge biß, um dir nicht zu sagen, was ich dir schrieb und was ich dir dennoch sagen muß, weil ich dir Herrin bin und es an mir ist, das Wort zu sprechen, das du nicht sagen darfst und darfst dich seiner aus längst schon nichtigem Grund nicht erkühnen. Ich aber weiß nicht, wie gern du’s sagtest, das ist mein Herzeleid, denn wenn ich wüßte, du sagtest es dringend gern, wenn du dürftest, dann so nähm’ ich dir selig das Wort vom Munde und spräche es aus als Herrin, wenn auch nur lispelnd und flüsternd, das Antlitz verborgen auf deinem Arm. Sag, empfingst du vom Zwerge mein Blatt, darauf ich’s gemalt, und hast du’s gelesen? Warst du erfreut, meine Zeichen zu sehn, und schlug dir wohl all dein Blut als Welle des Glücks an den Strand deiner Seele? Liebst du mich, Osarsiph, Gott in Knechtsgestalt, mein himmlischer Falke, wie ich dich liebe, schon lange, schon lange in Wonne und Qual, und brennt dir das Blut nach meinem, wie es mir brennt nach dir, so daß ich das Briefchen malen mußte nach langem Kampf, von deinen goldenen Schultern berückt und davon, daß alle dich lieben, von deinem
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