Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
so gut es nach der Strafe noch gehen wollte, nämlich lispelnd nach Kinderart, was auch eine Zuflucht war, insofern es dem Äußersten einen Ausdruck von Unschuld und Hilflosigkeit lieh und rührend machte das Krasse.
Sie hatte den Joseph zur Wirtschaftsaudienz und nachfolgendem Brettspiel befehlen lassen durch Dûdu und empfing ihn im Atum-Salon um die Tageszeit, da der Jungmeier den Lesedienst in Potiphars Halle vollendet hatte, eine Stunde nach Tische. Sie kam zu ihm herein aus dem Zimmer, wo sie schlief, und da sie vor ihn trat, machte er, wohl zum erstenmal, oder zum erstenmal mit Bewußtsein, die Wahrnehmung, die auch wir dieser Stunde vorbehalten haben, nämlich daß sie sich sehr verändert hatte in der Zeit ihrer Berührtheit und also, wie man folgern muß, durch ihre Berührtheit.
Es war eine eigentümliche Veränderung, bei deren Kennzeichnung und Beschreibung man Gefahr läuft, zu befremden oder unverstanden zu bleiben, und die dem Joseph, seit sie ihm offenbar geworden, viel Stoff zur Verwunderung und einem vertieften Nachsinnen gab. Denn tief ist das Leben nicht nur im Geiste, nein, auch im Fleische. Nicht daß die Frau gealtert wäre in dieser Zeit; das hatte die Liebe verhindert. War sie schöner geworden? Ja und nein. Eher nein. Sogar entschieden nein, – wenn man unter Schönheit das rein Bewundernswerte und beglückend Vollkommene versteht, ein Bild der Herrlichkeit, das in die Arme zu schließen wohl himmlisch sein müßte, das aber danach nicht ruft, weit eher sich dem Gedanken daran entzieht, weil es sich an den hellsten Sinn, das Auge, wendet, nicht aber an Mund und Hand, – sofern es sich überhaupt wendet an irgend etwas. In aller Sinnenfülle behält Schönheit dann etwas Abstraktes und Geistiges: sie behauptet Eigenständigkeit und das Vorsein der Idee vor der Erscheinung; sie ist nicht Erzeugnis und Werkzeug ihres Geschlechtes, sondern umgekehrt dieses ihr Stoff und Mittel. Weibliche Schönheit – das kann die Schönheit sein, verkörpert im Weiblichen, das Weibliche als Ausdrucksmittel des Schönen. Wie aber, wenn das Verhältnis von Geist und Stoff sich umkehrt und man statt von weiblicher Schönheit besser von schöner Weiblichkeit redete, weil nämlich das Weibliche zum Anfangsgrunde und Hauptgedanken geworden und die Schönheit zu ihrem Attribute, statt daß das Weibliche das Attribut des Schönen wäre? Wie, fragen wir, wenn das Geschlecht die Schönheit als Stoff behandelt, indem es sich darin verkörpert, so daß denn also die Schönheit als Ausdrucksmittel des Weiblichen dient und wirkt? – Es ist klar, daß das eine ganz andere Art von Schönheit ergibt als die oben gefeierte, – eine bedenkliche, ja unheimliche, die sich sogar dem Häßlichen nähern mag und dabei schlimmerweise die Anziehung und Gefühlswirksamkeit des Schönen ausübt, nämlich kraft des Geschlechtes, das sich an ihre Stelle setzt, für sie eintritt und ihren Namen an sich reißt. Es ist also keine geistig ehrsame Schönheit mehr, geoffenbart im Weiblichen, sondern eine Schönheit, in der sich das Weibliche offenbart, ein Ausbruch des Geschlechts, eine Hexenschönheit.
Dies allerdings erschreckende Wort hat sich als unentbehrlich erwiesen zur Kennzeichnung der Veränderung, die sich seit Jahr und Tag mit Mut-em-enets Körper zugetragen. Es war eine Veränderung, rührend und erregend zugleich, schlimm und ergreifend, eine Veränderung ins Hexenhafte. Versteht sich, man muß bei der inneren Verwirklichung dieses Wortes die Vorstellung des Vettelmäßigen fernhalten, – man muß sie, wiederholen wir, fernhalten, indem man dennoch gut tut, sie nicht vollkommen auszuschalten. Eine Hexe ist gewiß nicht notwendig eine Vettel. Und doch ist auch bei der reizendsten Hexe ein leicht vettelhafter Einschlag festzustellen, – er gehört unvermeidlich zum Bilde. Der neue Körper der Mut war ein Hexen-, Geschlechts- und Liebeskörper und also von fern auch etwas vettelhaft, obgleich dies Element sich höchstens in einem Aufeinanderstoßen von Üppigkeit und Magerkeit der Glieder manifestierte. Eine Vettel reinsten Wassers war etwa die schwarze Tabubu, Vorsteherin der Schminktöpfe, mit Brüsten, die Schläuchen glichen. Muts Busen seinerseits, sonst zierlich-jungfräulich, hatte sich kraft ihrer Ergriffenheit sehr stark und prangend entfaltet, er bildete sehr große Liebesfrüchte, deren strotzendem Vordrang ein Etwas von Vettelhaftigkeit einzig und allein durch den Gegensatz zukam, in welchem die Magerkeit, ja
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