Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
erlauscht, das ist, daß sie sich girrend verabreden, wie sie dich wollen mit Stöcken aufs Haupt schlagen, bis du hin bist, und hier im Hause, daraus sie dich weggemordet, ihrer Lust frönen wollen auf bekränztem Bette als Herr und Herrin.«
Nach diesen Worten zog Peteprê das Leintuch völlig über den Kopf, und war nichts mehr von ihm zu sehen. So blieb er geraume Zeit, so daß dem Dûdu die Weile schon anfing lang zu werden, obgleich er es anfangs gern gesehen, wie der Herr da als unförmige Masse lag, von seiner Schande bedeckt und unter ihr verschwunden. Plötzlich aber schlug jener das Laken bis zu den Hüften zurück und richtete sich halb auf, dem Zwerge zugewandt, das kleine Haupt in die kleine Hand gestützt.
»Ernstlich danken muß ich dir«, sprach er, »Vorsteher meiner Truhen, was du da für mich eruiert« (»eruiert« war ein babylonisches Fremdwort) »zur Rettung meiner Ehre, beziehungsweise zur Feststellung, daß sie bereits verloren und nur noch vielleicht das nackte Leben zu retten ist, – nicht um des Lebens, sondern um der Rache willen, muß ich auf seine Rettung bedacht sein, in deren Dienst es von Stund an schrecklich zu treten hat. Die Gefahr, die ich laufe, ist, daß ich überm Strafgedanken den ebenso wichtigen versäume an Dank und Lohn, die ich dir schulde für deine Ermittlungen. Meinem Schrecken und Zorn über diese ist das Erstaunen ebenbürtig über die Leistungen deiner Liebe und Treue. Ja, ich gestehe dir meine Überraschung, – die ich mäßigen sollte, ich weiß es wohl; denn wie oft wird uns nicht von unscheinbarer Seite, um die wir uns durch Achtung und Zutrauen nicht gerade verdient gemacht, das Beste zuteil! Dennoch, ich kann mich der ungläubigen Verwunderung nicht erwehren. Du bist ein Mißbild und Kielkropf, ein kauziger Zwergenpojazz, dem sein Kammeramt weit mehr Spaßes halber als im Ernste zuteil wurde, ein Typ, halb lächerlich, halb widerlich, welches beides durch deine Wichtigtuerei nur noch erhöht wird. Grenzt es unter diesen Umständen nicht ans Unglaubliche, oder überschreitet diese Grenze sogar, daß es dir soll gelungen sein, ins Geheimleben der, nächst mir, höchsten Personen des Hauses einzudringen und beispielsweise die Süßen Billetts zu lesen, die deiner Klage zufolge ihren Weg nehmen sollen zwischen Jungmeier und Herrin? Muß oder darf ich an der Existenz dieser Papiere nicht zweifeln, solange es mir ins Bereich des Unglaublichen zu fallen scheint, daß du es fertig gebracht haben solltest, sie einzusehen? Dazu mußtest du ja, mein Lieber, dich ins Vertrauen einschleichen der ausgewählten Vertrauensperson, deren Sache es war, diese Briefe zu tragen, und wie soll mich das in Anbetracht der unleugbaren Garstigkeit deiner Person auch nur einigermaßen wahrscheinlich dünken?«
»Die Furcht«, erwiderte Dûdu, »deine Schande und lamentable Erniedrigung glauben zu müssen, läßt dich, armer Herr, nach Gründen suchen, mir zu mißtrauen. Du nimmst dabei mit sehr schlechten Gründen vorlieb – so groß ist deine schlotternde Furcht vor der Wahrheit, welche dir freilich eine so höhnisch elende Miene zeigt, daß dein Schlottern dadurch begreiflich wird. Erkenne denn, wie hinfällig dein Zweifel ist! Ich brauchte mich nicht ins Vertrauen der ausgewählten Vertrauensperson zu stehlen, welche die üppigen Briefe trug, denn diese ausgewählte Person war ich selbst.«
»Enorm!« sagte Peteprê. »Du hast die Briefe getragen, ein so kleiner und komischer Mann? Mein Respekt vor dir beginnt zusehends zu wachsen, schon bei deiner bloßen Aussage; aber ein gutes Stück muß er noch zunehmen, bevor ich die Aussage auch wirklich glaube. So sehr vertraut dir also die Herrin und auf so befreundetem Fuße stehst du mit ihr, daß sie dir solcherart ihr Glück und ihre Schuld überantwortete?«
»Allerdings!« versetzte Dûdu, indem er kühnlich Standbein und Hüftfaust wechselte. »Und nicht allein, daß sie mir die Briefe zu tragen gab, sondern ich habe sie ihr auch in die Binse diktiert. Denn sie wußte gar nichts von Süßen Billetts und mußte erst von mir, dem Weltmann, über dies zarte Mittel belehrt werden.«
»Wer hätte es gedacht!« wunderte sich der Kämmerer. »Mehr und mehr sehe ich ein, wie sehr ich dich unterschätzt habe, und mein Respekt vor dir ist in raschem, unaufhaltsamem Wachsen begriffen. Du tatest das, nehme ich an, um es aufs Äußerste kommen zu lassen und um zu sehen, wie weit die Herrin es treiben werde in der Schuldhaftigkeit.«
»Das
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