Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
erzähle. Von Stückchen wüßte ich mehrere, die dir beweisen würden, dir und der großen Frau, daß der Geist des Gott-Schalks unter den Meinen immer zu Hause war und mir vertraut ist.«
Amenhotep sah mit einer scherzenden Gebärde des Kopfes, die besagte: »Ei, soll man’s glauben?« zu seiner Mutter hinüber.
»Die Göttin erlaubt dir«, versetzte er dann, »uns von den Stückchen eins oder zwei zu künden, wenn du glaubst, uns damit erfreuen zu können, bevor du deutest.«
»Man hat den Atem von dir«, sagte Joseph, sich neigend. »Ich nutze ihn, dich zu zerstreuen.«
Und mit verschränkten Armen, indem er öfters beschreibend die Hand hob aus der Verschränkung, redete er vor Pharao und sprach:
»Rauh war Esau, mein Oheim, der Bergbock, meines Vaters Zwilling, der sich den Vortritt erzwang vor ihm bei ihrer Geburt, – rot von Zotteln war er, der Taps, aber jener war glatt und fein, zeltfromm und seiner Mutter Sohn, klug in Gott, ein Hirte, da Esau ein Jäger. Immer schon war Jaakob gesegnet, lang vor der Stunde, wo mein Ahn, der Vater der Beiden, den vererbten Segen zu verspenden beschloß, denn er nahm ab zum Tode. Blind war der Greis, die alten Augen wollten ihm nicht mehr gehorchen, sie wollten’s nicht, und nur noch mit den Händen sah er, tastend statt sehend. Vor sich rief er den Roten, seinen Ältesten, den er zu lieben sich anhielt. ›Geh und schieß mir ein Wildbret mit deinem Bogen‹, sprach er, ›ehrlicher Zottelsohn, mein Erstgeborener, und koch mir ein Wurzgericht aus der Beute, daß ich esse und segne dich, mächtig gestärkt zum Segen vom Mahle!‹ – Jener ging und jagte. Doch unterdessen wickelt die Mutter dem Jüngeren Felle vom Böcklein um seine glatten Glieder und gab ihm ein Essen, köstlich gewürzt, vom Fleische der Böcklein: Damit ging er zum Herrn ins Zelt und sprach: ›Da bin ich wieder, mein Vater, Esau, dein Rauhrock, der dir gejagt und gekocht; iß denn und segne den Erstling!‹ ›Laß dich besehen mit sehenden Händen‹, sprach der Blinde, ›ob du auch wirklich Esau bist, mein Rauhrock, denn sagen kann’s jeder!‹ Und er betastete ihn und fühlte die Felle – überall, wo kein Kleid war, da war’s rauh, wie Esau, wenn auch nicht rot – das konnten die Hände nicht sehen, und die Augen wollten’s nicht. ›Ja, kein Zweifel, du bist’s‹, sprach dieser Greis, ›dein Vlies ist mir deutlich. Rauh oder glatt, das ist’s, und wie gut, daß man die Augen nicht braucht, diesen Unterschied wahrzunehmen: Die Hände genügen. Esau bist du, so atze mich, daß ich dich segne!‹ Und er roch und aß und gab dem Falschen, der der Richtige war, die Fülle des unwiderruflichen Segens. Den nahm Jaakob dahin. Und dann kam Esau vom Weidwerk, hochgebläht und prahlend mit seiner großen Stunde. Öffentlich kocht’ und würzt’ er sein Wildbret und trug’s zum Vater, kam aber übel an, der Geprellte, drinnen im Zelt, denn als ein Betrüger ward er empfangen, der falsche Rechte, da ihm der rechte Falsche längst zuvorgekommen durch Mutterlist. Nur einen Wüstenfluch empfing er, da nach verspendetem Segen nichts anderes mehr übrig. War das ein Spaß und Gelächter, als er niedersaß laut greinend mit hängender Zunge und dicke Tränen kollern ließ in den Staub, der untertretene Tölpel, den der Geist des Vielgewandten beschuppt, des Wohlvertrauten.«
Sohn und Gebärerin lachten, – diese sonor-altstimmig, jener hell und sogar etwas fistelnd. Beide schüttelten sie die Köpfe dazu.
»Nein, was für eine barocke Geschichte!« rief Amenhotep. »Eine barbarische Schnurre – vorzüglich in ihrer Art, wenn auch etwas beklemmend, daß man nicht weiß, was für ein Gesicht dazu machen und es einem die Miene verzieht mit Lachen und Mitleid. Der falsche Rechte, sagst du – und der Falsche, der recht war? Aber das ist nicht schlecht, vertrackt ist’s und witzig. Bewahre doch die obere Güte einen jeden davor, recht zu sein und doch falsch, daß er am Ende nicht greinend sitzen muß und seine Tränen im Staube kollern! Wie gefällt dir die Mutter, Mamachen? Fellchen vom Bock um die Glattheit – so half sie dem Alten und seinen sehenden Händen, daß er den Rechten segne, nämlich den Falschen! Nun sage selbst, ob es nicht ein originelles Lamm ist, das ich bestellte! – Noch ein zweites Stückchen, Chabire, gibt meine Majestät dir frei, daß ich sehe, ob nicht das erste nur zufällig gut war, und ob dir wirklich der Geist des Vielgewandten mehr als bekannt ist, nämlich
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