Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
schilderte, war alles, wodurch er Verinnerlichung und tiefe Versammlung seines Wesens auf das Erzählte merken ließ; und er tat ein Übriges, indem er seine Augen noch eine Weile geschlossen hielt, als Amenhotep geendet hatte, und nun verhaltenen Atems wartete. So weit ging er, daß er jenen da noch etwas warten ließ und die Augen geschlossen hielt, während er die des Königs voller Erwartung auf sich gerichtet wußte. Es war sehr still in der kretischen Loggia. Nur die Göttin-Mutter hustete sonor und klapperte mit ihren Behängen.
»Schläfst du, Lamm?« fragte Amenhotep endlich mit zaghafter Stimme.
»Nein, hier bin ich«, antwortete Joseph, indem er ohne Übereilung die Augen öffnete vor Pharao. Allerdings sah er eher sozusagen durch diesen hindurch, als daß er ihn angesehen hätte, oder vielmehr: sein Blick brach sich nachdenklich an des Königs Person und ging in sich selber, was den schwarzen Rahel-Augen sehr gut stand.
»Und was sagst du zu meinen Träumen?«
»Deinen Träumen?« erwiderte Joseph. »Deinem Traume, meinst du. Zweimal träumen heißt nicht zwei Träume haben. Du träumtest einerlei Traum. Daß du ihn zweimal träumtest, erst in der einen Gestalt und dann in der anderen, hat nur den Sinn der Versicherung, daß dein Traum sich gewißlich erfüllen wird, und zwar bald. Ferner ist seine zweite Form nur die Erläuterung und die nähere Bestimmung dessen, was die erste gemeint.«
»Das hat meine Majestät sich doch gleich gedacht!« rief Amenhotep. »Mutter, das war mein erster Gedanke, was das Lamm da sagt, daß beide Träume im Grunde nur einer seien! Mir träumte das blühende Vieh und das garstige, und dann war es, als ob jemand sagte: ›Hast du mich auch recht verstanden? So ist’s gemeint!‹ Und mir träumten danach die Ähren, die prallen, die brandigen. Spricht doch auch wohl ein Mensch, sich auszudrükken, und versucht’s dann noch einmal: ›Mit anderen Worten‹, sagt er, ›so und so.‹ Mamachen, das ist ein guter Anfang der Deutung, den der prophetische Jüngling, der nicht schäumende, da gemacht hat. Diesen Anfang haben die Pfuscher vom Bücherhause gleich verfehlt, und so konnte auch nachher nichts Gutes mehr kommen. Nun denn, fahre fort, Prophet, und deute! Was ist die einige Meinung meines doppelten Königstraums?«
»Einerlei ist die Meinung, wie die beiden Länder, und doppelt der Traum, wie deine Krone«, entgegnete Joseph. »Wolltest du das nicht sagen mit deinen letzten Worten, und sagtest es nur ungefähr, nicht aber von ungefähr? Was du meintest, verrietest du mit dem Wort ›Königstraum‹. Krone und Schweif trugst du in deinem Traum, im Dunkeln hab ich’s vernommen. Nicht Amenhotep warst du, sondern Nefer-Cheperu-Rê, der König. Gott sprach zum König durch seine Träume. Er zeigte Pharao an, was er vorhat in der Zeit, damit er es wisse und seine Maßregeln treffe gemäß der Weisung.«
»Absolut!« rief Amenhotep wieder. »Nichts war mir klarer! Mutter, nichts war meiner Majestät gewisser von Anfang an, als was das besondere Lamm da sagt: daß nicht ich es war, der träumte, sondern der König, – soweit das eben zu trennen ist und sofern nicht eben ich nötig war, damit der König träume. Hat nicht Pharao es gewußt und dir geschworen gleich am Morgen, daß der Doppeltraum reichswichtig war und darum unbedingt zu deuten? Aber er wurde dem König gesandt, nicht, sofern er der Vater, sondern sofern er die Mutter der Länder; denn des Königs Geschlecht ist doppelt. Dinge der Notdurft betraf mein Traum und der unteren Schwärze – ich wußte und weiß es. Aber weiter weiß ich noch nicht«, besann er sich plötzlich. »Was ist das, daß meine Majestät ganz und gar vergißt, daß sie weiter noch gar nichts weiß, und daß die Deutung noch aussteht? Du hast eine Art«, wandte er sich an Joseph, »es einem fröhlich vorkommen zu lassen, als sei alles schon schönstens gelöst und getan, da du mir bisher doch nur wahrgesagt hast, was ich ohnedies wußte. Aber was bedeutet mein Traum, und wessen wollte er mich bedeuten?«
»Pharao irrt«, erwiderte Joseph, »wenn er meint, er wüßte es nicht. Dieser Knecht vermag nichts anderes, als ihm wahrzusagen, was er schon weiß. Sahst du die Kühe nicht, wie sie aus der Flut stiegen, eine nach der anderen, in einer Zeile, und folgten einander auf dem Fuße, erst die fetten und dann die mageren, sodaß kein Unterbruch war in ihrer Folge und Reihe? Was steigt so heraus aus dem Behältnis der Ewigkeit, eins nach
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