Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
vertraut. Laß hören!«
»Was Pharao befiehlt«, sagte Joseph, »ist schon erfüllt. Fliehen mußte der Gesegnete vor der Wut des Geprellten, reisen mußte er und reiste gen Naharajin, in das Land Sinear, wo ihm Verwandte lebten: Laban, der Erdenkloß, ein finsterer Geschäftsmann, und seine Töchter, eine rot von Augen, die andere lieblicher als ein Stern, die ward sein Ein und Alles, außer Gott. Aber dienen ließ der harte Bas ihn um die Sternenjungfrau sieben Jahr, die gingen ihm hin wie Tage, und da sie abgedient, fügt ihm der Oheim erst die Andere bei im Dunkeln, die er nicht wollte, und dann allerdings auch die Rechte, Rahel, das Mutterschaf, die mich gebar in übernatürlichen Schmerzen, und Dumuzi hießen sie mich, den rechten Sohn. Dies nebenbei. Als nun die Sternenjungfrau von mir genesen, wollte der Vater hinweg mit mir und den Zehnen, die ihm die Unrechte und die Mägde geboren, – oder er tat, als ob er es wollte vor dem Oheim, dem’s nicht behagte, denn ihm fruchtete Jaakobs Segen. ›Gib mir alles, was sprenklich fällt in der Herde!‹ sprach dieser zu jenem. ›Das soll mein sein, aber dein alles, was einfärbig – da hast du meine bescheidene Bedingung.‹ Und sie vertrugen sich so. Was aber tat Jaakob? Er nahm Stäbe von Baum und Busch und schälte weiße Streifen in ihre Rinde, scheckig zu sehen. Die legte er in die Rinnen, wo das Kleinvieh trank und sich zeugend besprang nach dem Trunke. Immer ließ er sie Sprenkliches sehen bei diesem Geschäft, das tat’s ihnen an durch die Augen, und Gesprenkeltes warfen sie ihm, das nahm er zu eigen. So ward er über die Maßen reich, und Laban hatte das Nachsehn, in die Patsche gelegt vom Geist des anschlägigen Gottes.«
Wieder erheiterten Mutter und Sohn sich sehr, die Köpfe schüttelnd. Dem König trat eine Ader kränklich hervor auf der Stirn beim Lachen, und in seinen halbverhüllten Augen schimmerten Tränen.
»Mamachen, Mamachen«, sagte er, »meine Majestät ist sehr amüsiert! Scheckig geschälte Stäbe nahm er und tat’s ihnen an damit durch die Augen! Sagt man nicht, daß einer sich scheckig lacht über ein ausnehmend gutes Stückchen? So jetzt Pharao. Lebt er noch, dein Vater? Das war ein Ausbund. Du bist also eines Schelmen Sohn und einer Lieblichen?«
»Auch die Liebliche war eine Schelmin und Diebin«, ergänzte Joseph. »Stückchen waren nicht fremd ihrer Lieblichkeit. Stahl sie ja doch, dem Gatten zulieb, die Götzen des finsteren Vaters, die versteckte sie in der Spreu der Kamele, saß darauf und sprach mit süßer Stimme: ›Unpäßlich bin ich und erleide die Regel, darum kann ich nicht aufstehen.‹ Laban aber suchte sich halb zu Schanden.«
»Eins übers Andere!« rief Amenhotep, wobei seine Stimme sich im Lachen brach. »Nein, höre, Mamachen, du bist mir Antwort schuldig, ob ich da nicht ein wirklich originelles Lamm vor mich bestellt habe, schön und spaßig ... Dies ist der Augenblick«, bestimmte er plötzlich. »Jetzt ist Pharao aufgelegt, die Deutung zu hören seiner schweren Träume von diesem besonnenen Jüngling. Eh’ diese Tränen herzlicher Unterhaltung völlig trocknen in meinen Augen, will ich sie hören! Denn solange meine Augen noch naß vom ungewohnten Lachen, fürcht’ ich die Träume nicht, noch ihre Deutung, wie immer sie laute. Dieser Schelmensohn wird ja Pharao weder so Dummes weissagen, wie die Pedanten vom Bücherhaus, noch auch ganz Fürchterliches. Und selbst wenn die Wahrheit schlimm, die er sagt, wird sie aus diesem heiteren Munde nicht so kommen, daß die Tränen in meinen Augen ihren Sinn auf einmal gänzlich verändern. Wahrsager, brauchst du ein Gerät oder Werkzeug für deine Arbeit? Einen Kessel vielleicht, der die Träume empfängt, und aus dem die Deutung steigt?«
»Garnichts«, antwortete Joseph. »Ich brauche nichts zwischen Himmel und Erde zur Verrichtung meines Geschäftes. Freierdings deute ich schlecht und recht, wie es der Geist mir eingibt. Pharao braucht nur zu erzählen.«
Und der König räusperte sich, sah etwas verlegen zu seiner Mutter hinüber und entschuldigte sich bei ihr mit einer kleinen Verneigung, daß sie die Träume noch einmal hören müsse. Dann, mit den feuchten Augen blinzelnd, in denen die Lachtränen langsam trockneten, erzählte er gewissenhaft seine abgestandenen Gesichte zum sechsten Male, – erstens und zweitens.
Pharao weissagt
Joseph lauschte ohne Affektation, in anständiger Haltung. Daß er die Augen geschlossen hielt, während Pharao
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