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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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nickte, und Pharao schlug die Augen nieder.
    »Zog er zu Felde«, fragte er, »bevor er Gott entdeckt hatte, oder nachher?«
    »Mitten drin«, antwortete Joseph. »Mitten in der Arbeit daran und ungeschwächt durch diese. Was willst du machen mit Räuberkönigen, die brennen und brandschatzen? Den Frieden Gottes kannst du ihnen nicht beibringen, sie sind zu dumm und böse dazu. Du kannst ihnen nur beibringen, indem du sie schlägst, daß sie spüren: der Friede Gottes hat starke Hände. Bist du doch auch Gott Verantwortung schuldig dafür, daß es auf Erden halbwegs nach seinem Willen geht und nicht ganz und gar nach den Köpfen der Mordbrenner.«
    »Ich sehe wohl«, sagte Amenhotep knabenhaft verstimmt, »wärst du von meinen Wärtern einer gewesen, als ich ein Kind war, so hättest du mir auch Geschichten erzählt von abwärtshängenden Haaren und umgestellten Augen voll Blut.«
    »Sollte es vorkommen«, fragte Joseph und wandte sich an sich selber mit dieser Frage, »daß Pharao irrt und daß trotz außerordentlicher Begabtheit und Frühreife seine Vermutungen fehlgehen? Man sollte es nicht denken, doch scheint es mit unterzulaufen, zum Zeichen, daß er seine menschliche Seite hat außer der göttlichen. Denn die ihn mit jenen Ruhmesgeschichten beschwerten«, fuhr er im Selbstgespräch fort, »die standen ja für Krieg und Schwerteslust unbedingt und um ihretwillen; sein Wahrsager aber, des Mondwanderers Spät-Enkel, sucht Botschaft zu bringen dem Kriege vom Frieden Gottes und legt beim Frieden ein Wort für die Rüstigkeit ein, als ein Handelsmann zwischen den Sphären und ein Mittler zwischen oben und unten. Dumm ist das Schwert, doch möcht’ ich die Sanftmut nicht klug nennen. Klug ist der Mittler, der ihr Rüstigkeit rät, daß sie am Ende nicht dumm dastehe vor Gott und den Menschen. Wollte ich doch, ich dürft’ es Pharao sagen, was ich da denke!«
    »Ich habe gehört«, sagte Amenhotep, »was du zu dir selber sagtest. Das ist abermals so ein Stückchen und eine Erfindung von dir, daß du zu dir selber sprichst und tust, als hätte der andere keine Ohren. Du hältst das Geschenk des Seefahrers im Arm, – mag sein, daß dir daher die Späße kommen, und daß vom Geist des Gott-Schalks etwas in deine Worte dringt.«
    »Es mag sein«, versetzte Joseph. »Pharao spricht das Wort der Stunde. Es mag sein, es ist möglich und nicht ganz von der Hand zu weisen, man muß damit rechnen, daß der Gewandte zugegen ist und Pharao an sich gemahnen will, nämlich, daß er es war, der ihm die Träume zuführte von unten herauf an sein Königslager, und der auch ein Führer hinab ist bei aller Heiterkeit, des Mondes Freund und der Toten. Ein freundlich Wort legt er beim Oberen ein fürs Untere und beim Unteren für das Obere, der verbindliche Mittler zwischen Himmel und Erde. Denn das Unvermittelte ist ihm zuwider, und ein Wissen hat er voraus vor allen Wesen, dieses: daß Einer recht sein kann und doch falsch.«
    »Kommst du auf den Oheim zurück«, fragte Amenhotep, »den falschen Rechten, der dicke Tränen in den Staub mußte kollern lassen unterm Gelächter der Welt? Laß die Geschichte an ihrem Ort! Sie ist spaßhaft, aber beklemmend. Mag es doch sein, daß das Spaßhafte immer beklemmend ist und uns der Odem nur frei und selig geht von goldenem Ernste.«
    »Pharao sagt es«, erwiderte Joseph, »und möge er der Rechte sein, es zu sagen! Ernst und streng ist das Licht, und die Kraft, die von unten zu ihm hinauf strebt in seine Lauterkeit, – Kraft muß sie wahrlich sein und von Mannesart, nicht bloße Zärtlichkeit, sonst ist sie falsch und zu früh daran, und es gibt Tränen.«
    Er sah nicht zur Mutter hinüber nach diesen Worten, nicht mit vollem Auge, aber so weit sah er hinüber, daß er sehen konnte, ob sie Beifall nickte oder nicht. Sie nickte nicht, aber er glaubte wahrzunehmen, daß sie ihn unverwandt betrachtete, was vielleicht noch besser war als Nicken.
    Amenhotep hatte nicht zugehört. Er lehnte an seinem Stuhl in einer seiner übermäßig gelösten Stellungen, die tendenziös gegen den alten Stil und Amuns Strenge gerichtet waren: den Ellbogen auf die Rücklehne gestützt, die andere Hand in der vom Standbein herausgetriebenen Hüfte, die Fußspitze des Spielbeins aufgestellt, und hing seinen eigenen Worten nach.
    »Ich glaube«, sagte er, »meine Majestät hat da etwas sehr Begabtes geäußert, worauf man lauschen sollte: über Spaß und Ernst, das Beklemmende und die Glückseligkeit. Spaß- und

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