Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Strahlen die Länder umarmen und sie mit Liebe fesseln, – schwach läßt er die Hände werden vor Liebe, und nur die Bösen, deren Glaube nach unten geht, haben starke Hände. Ach, wieviel mehr ging es auf der Welt nach Liebe und Güte, wär’ nicht der Glaube ans Untere und an die Fresserin mit den malmenden Zähnen! Das redet keiner Pharao aus, daß die Menschen vieles nicht täten und nicht für wohlgefällig hielten, es zu tun, wenn sie nicht abwärts glaubten. Weißt du wohl, meines irdischen Vaters Großvater, König Acheperurê, hatte sehr starke Hände und konnt’ einen Bogen spannen damit, den konnte sonst niemand spannen im ganzen Land. Da zog er aus, die Könige Asiens zu schlagen und fing ihrer sieben lebendig: die hing er am Bug seines Schiffes verkehrt herum auf, die Köpfe nach unten, – ihr Haar wallte nieder, und glotzten allesamt in die Welt mit umgestellten, blutrünstigen Augen. Es war aber nur der Anfang von dem, was er alles mit ihnen tat, und was ich nicht sage, er aber tat es sogar. Es war die erste Geschichte, die meine Wärter dem Kinde erzählten, ihm Königsgeist einzuflößen, – ich aber schrie aus dem Schlaf vom Eingeflößten, und mußten die Ärzte vom Bücherhause mir anderes dagegen einflößen, ein Gegengift. Glaubst du nun aber, Acheperurê hätte das alles gemacht mit seinen Feinden, ohne, er hätte die Schreckensgefilde geglaubt und die Gespenster und Usiri’s gräßlich Benannte nebst dem Hund von Amente? Laß dir sagen: die Menschen sind ein ratlos Geschlecht. Sie wissen nichts zu tun aus sich selbst, und nicht das Allergeringste fällt ihnen von selber ein. Immer ahmen sie nur die Götter nach, und je wie das Bild ist, das sie sich von ihnen machen, danach tun sie. Reinige die Gottheit, und du reinigst die Menschen.«
Joseph gab nicht Antwort auf diese Rede, bevor er zur Mutter hinübergeblickt und in ihren Augen, die auf ihn gerichtet waren, gelesen hatte, daß eine Gegenrede von seiner Seite ihr lieb sein würde.
»Schwerer als schwer«, sagte er dann, »ist es, Pharao zu erwidern, denn er ist aus der Maßen begabt, und was er spricht, ist wahr, sodaß man nur nicken und ›richtig, richtig‹ murmeln oder auch ganz verstummen könnte und alle Rede bei der Wahrheit könnte entschlummern lassen, die er ausgesagt. Und doch weiß man, daß Pharao nicht liebt, das Gespräch entschlummern und am Wahren stocken zu lassen, sondern wünscht, daß es sich davon löse und weiter gehe, noch über das Wahre hinaus, und vielleicht zu fernerer Wahrheit führe. Denn was wahr ist, ist nicht die Wahrheit. Die ist unendlich fern, und unendlich alles Gespräch. Eine Wanderung ist es ins Ewige und löst sich rastlos, oder doch nach nur kurzer Rast und nach einem ungeduldigen ›Richtig, richtig!‹ aus jeder Wahrheitsstation, wie der Mond sich löst aus seinen Stationen in ewiger Wanderung. Dies aber bringt mich zwingend, ob ich will oder nicht, und ob es statthaft ist oder ganz fehl am Ort, auf meines irdischen Vaters Großvater, den wir zu Hause immer mit einem nicht so ganz irdischen Namen nannten und ihn den Mondwanderer hießen, wohl wissend übrigens, daß er in Wirklichkeit Abirâm geheißen hatte, was da bedeutet: Mein Vater ist erhaben, allenfalls aber auch Vater des Erhabenen, und war aus Ur in Chaldäa gekommen, dem Land des Turmes, wo es ihm nicht gefallen und er’s nicht ausgehalten hatte, – nie hielt er’s irgendwo aus, daher die Bezeichnung, die wir ihm gaben.«
»Siehst du wohl, Mutter«, fiel hier der König ein, »daß mein Wahrsager von guter Herkunft ist in seiner Weise? Nicht nur, daß er selbst ›das Lamm‹ genannt wurde, sondern er hatte auch einen Urgroßvater, dem man überirdische Namen gab. Leute aus niederen Schichten und aus der großen Mischung pflegen ihren Ur-Großvater gar nicht zu kennen. – Also war er ein Wanderer nach der Wahrheit, dein Ur-Großvater?«
»Von solcher Rüstigkeit«, versetzte Joseph, »daß er am Ende Gott entdeckte und einen Bund mit ihm machte, daß sie heilig würden der Eine im Anderen. Aber rüstig war er auch sonst, ein Mann starker Hände, und als Räuberkönige vom Osten einfielen brennend und brandschatzend und seinen Bruder Lot fortführten gefangen, da zog er kurz und entschlossen aus gegen sie mit dreihundertachtzehn Mann und Eliezer, seinem ältesten Knecht, also dreihundertneunzehn, und schlug ihre Kräfte, daß er sie bis über Damaschki trieb und Lot, seinen Bruder, aus ihren Händen befreite.«
Die Mutter
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