Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
geisterhaft und nicht geheuer ist auch des Mondes Mittlertum zwischen Himmel und Erde. Aber goldenen Ernstes und ohne Falsch sind die Strahlen Atôns, die sie in Wahrheit verbinden, in gütige Hände endigend, die des Vaters Schöpfung liebkosen. Gott allein ist das Sonnenrund, von dem sich Wahrheit ergießt in die Welt und verläßliche Liebe.«
»Alle Welt lauscht auf Pharao’s Worte«, antwortete Joseph, »und niemand überhört ein einziges von ihnen, wenn er lehrt. Das mag anderen geschehen, selbst wenn ihre Worte einmal ausnahmsweise sollten ebenso beherzigenswert sein wie die seinen, aber niemals dem Herrn der Kronen. Seine goldene Rede gemahnt mich an eine unserer Geschichten, nämlich, wie Adam und Eva, die Ersten, sich entsetzten vor der ersten Nacht. Tatsächlich glaubten sie, die Erde solle wieder wüst werden und leer. Denn es ist das Licht, das die Dinge sondert und ein jedes an seinen Ort stellt – Raum schafft es und Zeit, aber die Nacht bringt die Unordnung wieder herbei, das Durcheinander und das Tohuwabohu. Unbeschreiblich erschraken die Beiden, als der Tag im Abendrot starb und das Dunkel von allen Seiten heranschlich. Und schlugen sich in ihr Angesicht. Aber Gott gab ihnen zwei Steine: einen von tiefer Dunkelheit und einen von Todesschatten. Die rieb er aneinander für sie, und siehe, heraus sprang Feuer, Feuer des Schoßes, innerstes Ur-Feuer, jung wie der Blitz und älter als Rê, das brannte an Dürrem fort und ordnete ihnen die Nacht.«
»Recht schön, recht gut!« sagte der König. »Ich sehe wohl, ihr habt nicht nur schalkhafte Geschichten. Schade, daß du nicht auch von dem Glücke der Ersten erzähltest am neuen Morgen, als wieder der ganze Gott ihnen erstrahlte und aus der Welt trieb die finstere Ungestalt, denn ihre Tröstung muß unbeschreiblich gewesen sein. Licht, Licht!« rief er, indem er sich aus seiner hängenden Stellung löste und, bald stockend, bald eilend, sich im Saale hin und her zu bewegen begann, wobei er die geschmückten Arme zuweilen bis über den Kopf erhob, zuweilen auch beide Hände aufs Herz drückte. »Selige Helligkeit, die sich das Auge schuf, ihr zu begegnen, Blick und Erblicktes, Zu-sich-Kommen der Welt, die nur durch dich von sich weiß, Licht, du liebende Unterscheidung! Ach, Mamachen, und du, lieber Wahrsager, wie herrlich über alle Herrlichkeit und wie einzig im All ist der Atôn, mein Vater, und wie schlagen meine Pulse vor Stolz und Rührung, weil ich aus ihm hervorging und er mich vor allen seine Schönheit und Liebe begreifen ließ! Denn wie er einzig ist an Größe und Güte, so bin ich einzig an Liebe zu ihm, sein Sohn, den er mit seiner Lehre betraute. Wenn er aufgeht in der Himmelsflut und emporsteigt aus dem Gotteslande im Osten, funkelnd gekrönt als König der Götter, so jauchzen alle Geschöpfe, die Paviane beten an mit erhobenen Händen, und alles Wild preist ihn im Springen und Laufen. Denn jeder Tag ist Segenszeit und ein Freudenfest nach der Fluchzeit der Nacht, wo er sich hinweggewandt und die Welt in Selbstvergessenheit sinkt. Es ist schaudervoll, wenn die Welt ihrer selbst vergißt, möge es auch erforderlich sein, um ihrer Erquickung willen. Es liegen die Menschen in ihren Kammern, die Häupter verhüllt, sie atmen durch ihre Münder und sieht ein Auge das andere nicht. Unvermerkt zieht ihnen der Dieb die Habe unter den Häuptern weg, die Löwen schweifen, und alle Schlangen stechen. Aber er kommt und schließt den Menschen die Münder, er nimmt die Lider von ihren Augensternen und richtet sie auf, daß sie sich waschen und zu ihren Kleidern greifen und an ihr Werk gehen. Hell ist die Erde, die Schiffe segeln stromauf und stromab, und jede Straße liegt offen in seinem Licht. Im Meere springen die Fische vor ihm, denn auch zu ihnen hinab dringen seine Strahlen. Fern ist er, ach, unermeßlich fern, aber seine Strahlen sind dessen ungeachtet auf Erden wie in dem Meer und fesseln die Wesen mit seiner Liebe. Denn ohne daß er so hoch und fern wäre, wie wäre er über allem und überall in Seiner Welt, die er gegliedert hat und in verschiedenartiger Schönheit ausgebreitet: die Länder Syrien und Nubien und Punt und das Land Ägypten; die Fremdländer, wo der Nil an den Himmel gesetzt ist, daß er auf ihre Leute herabfalle und Wellen schlage auf den Bergen wie das Meer und die Felder bewässere in ihren Städten, da er für uns aus der Erde quillt und die Wüste düngt, daß wir essen. Ja, wie mannigfaltig, o Herr, sind deine Werke!
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