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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Du hast die Jahreszeiten gemacht und Raum und Zeit mit Millionen Gestalten bevölkert, daß sie in dir leben und ihre Lebenszeit vollbringen, die du gibst, in Städten, Dörfern und Siedelungen, auf den Landstraßen und an den Flüssen. Du unterschiedest sie und gabst ihnen mancherlei Zungen, daß sie besondere Worte sprechen zu abweichenden Bräuchen, doch alle von dir umfangen. Einige sind braun, andere rot, wieder andere schwarz und noch andere wie Milch und Blut – so abgetönt offenbaren sie sich in dir und sind deine Offenbarung. Sie haben krumme Nasen oder auch platte oder selbst solche, die geradeaus dahingehen aus dem Gesicht; sie kleiden sich bunt oder weiß, in Wolle oder Flachs, je nachdem sie es wissen und meinen; aber das alles ist kein Grund zu wechselseitigem Gelächter und zur Gehässigkeit, sondern nur interessant und ein Grund allein zur Liebe und Anbetung. Du grundgütiger Gott, wie freudevoll und gesund ist alles, was du schufst und ernährst, und welches herzsprengende Entzücken hast du Pharao dafür eingeflößt, deinem geliebten Sohn, der dich verkündet. Du hast den Samen gemacht in den Männern und gibst Atem dem Knaben im Leibe der Frau. Du beruhigst ihn, daß er nicht weine, du gute Wärterin und innere Amme! Du schaffst, wovon die Mücken leben, desgleichen die Flöhe, der Wurm und der Sproß des Wurms. Es wäre genug für das Herz und fast schon zu viel, daß das Vieh zufrieden ist auf deiner Weide, daß Bäume und Pflanzen im Safte stehen und Blüten treiben zu Dank und Preis, während unzählige Vögel andächtig über den Sümpfen flattern. Aber wenn ich an das Mäuslein denke in seinem Loch, wo du ihm bereitet, was es braucht – da sitzt es mit seinen Perläuglein und putzt sich die Nase mit beiden Pfötchen –, so gehen die Augen mir über. Und garnicht darf ich ans Küchlein denken, das schon in der Schale piept, aus der es hervorbricht, wenn Er es vollkommen gemacht hat, – da kommt es heraus aus dem Ei und piept soviel es kann, indem es herumläuft vor ihm auf seinen Füßen in größter Eilfertigkeit. Besonders daran darf ich mich nicht erinnern, sonst muß ich mir das Gesicht trocknen mit feinem Batist, denn es ist überschwemmt von Liebestränen ... Ich möchte die Königin küssen«, rief er plötzlich und blieb stehen, das Antlitz nach oben gerichtet. »Man rufe sogleich Nofertiti, die den Palast mit Schönheit füllt, die Herrin der Länder, mein süßes Ehgemahl!«
    Allzu selig
    Jaakobs Sohn war vom Stehen vor Pharao schon fast so müde, wie er einst gewesen war, als er den Stummen Diener hatte abgeben müssen für die Alten im Lusthäuschen. Gerade hierfür schien Jung-Pharao bei allem Zartgefühl für die Mücken, die Küken, das Mäuslein und den Sohn des Wurmes keinen Sinn zu haben, – es war ein königliches und teilweise vergeßliches Zartgefühl. Weder er noch gar die Mutter-Göttin auf ihrem Hochstuhl kamen darauf – und konnten wohl auch nicht darauf kommen –, ihn etwas niedersitzen zu heißen, wozu seine Glieder große Lust verspürten, und wozu mehrere artige Taburetts in der kretischen Loggia eingeladen hätten. Es war recht beschwerlich, aber wenn man weiß, was es gilt, nimmt man manches in Kauf und steht seine Sache durch – ein Wort, das selten oder nie treffender am Platze war, als in diesem so frühzeitigen Falle.
    Die Göttin-Witwe übernahm es, in die Hände zu klatschen, als der Sohn seinen Wunsch verkündet. Der Kämmerling aus dem Vorzimmer schlüpfte gebückt und mit süßer Gebärde durch den Bienen-Vorhang. Er verdrehte die Augen, als Teje ihm zuwarf: »Pharao ruft die Große Gemahlin«, – und entschwand. Amenhotep stand mit dem Rücken gegen den Saal vor einem der großen Bogenfenster und blickte sehr rasch atmend mit Leib und Brust von seiner Lobpreisung der Sonnenschöpfung über die Gärten hin. Seine Mutter, ihm zugewandt, betrachtete ihn besorgt. Nur wenige Minuten vergingen, bis Die erschien, nach der er verlangt hatte; sie konnte nicht weit gewesen sein. Eine kleine Tür, die vorher nicht sichtbar gewesen, öffnete sich mitsamt den Bildern zur Rechten in der Wand, zwei Dienerinnen fielen an ihrer Schwelle nieder, und zwischen ihnen schwebte mit bläßlichem Lächeln und vorsichtigen Trittchen, die Lider gesenkt, den langen Hals in ängstlicher Lieblichkeit vorgeschoben, die Sonnenfrucht tragende Königin der Länder herein. Sie sagte nichts während ihres kurzen Auftritts. Das Haar von einer blauen Kappe bedeckt, die ihren

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