Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
und Gräben, die sie benutzten, für die Bewässerungsmaschinen und Schläuche, die ihnen dienten, und selbst für die Sykomoren, die auf ihrem befruchteten Grunde wuchsen. Sie steuerten für Haus und Hof und alles, was Haus und Hof hervorbrachten. Sie zahlten mit Fellen und Kupfer, mit Holz, Stricken, Papier, Leinen und von je natürlich auch schon mit Korn. Aber die Abgaben wurden nach recht unregelmäßigem Gutdünken der Gauverwalter und Dorfvorsteher eingefordert, je nachdem der Ernährer, will sagen Chapi, der Strom, groß oder klein gewesen, – vernünftigerweise auch demgemäß, das ist wahr; aber doch auch unter viel ungerechtem Nachsehen einerseits und harter Überforderung andrerseits, und allerlei Durchstecherei und Vetternwirtschaft gab es dabei zu beseufzen. Man kann nun sagen, daß Josephs Verwaltung hier vom ersten Tage an die Zügel sowohl straff anspannte wie auf der anderen Seite auch lockerte: nämlich dadurch, daß sie alles Gewicht auf den Getreidezins legte, die anderen Schuldigkeiten aber dagegen sehr milde ansah. Ihr Leinen erster, zweiter und dritter Güte, ihr Öl, Kupfer und Papier mochten die Leute behalten, wenn nur die Korn-Umlage, der Fünfte der Brotfrucht-Ernte gewissenhaft erlegt wurde. Dieser Steuersatz, beruhigend klar und allgemeingültig wie er war, konnte nicht als Bedrückung empfunden werden in einem Lande, wo die Fruchtbarkeit durchschnittlich dreißigfältig ist. Außerdem besaß die Quote eine gewisse geistige Schönheit und mythischen Appell, da sie von der heiligen Epagomenen-Zahl, den fünf Übertagen über die dreihundertsechzig des Jahres hinaus, sinnig-geflissentlich hergenommen war. Und endlich gefiel es dem Volk, daß Joseph sie unbedenklich auch den noch absolut sich stellenden Gau-Baronen auferlegte, die er überdies zu zeitgemäßen Vollkommnungen auf ihren Gütern von Staatswegen anhielt. Denn der Geist trotziger Rückständigkeit, der dort herrschte, drückte sich auch darin aus, daß auf diesen Gütern die Bewässerungsverhältnisse nicht nur aus Faulheit, sondern grundsätzlicher- und tendenziöserweise auf einer altmodischen und unzulänglichen Stufe gehalten wurden, so daß der Boden nicht trug, was er hätte tragen können. Diesen Herrn schrieb Joseph nachdrücklich die Verbesserung ihres Kanal- und Schöpfwesens vor, eingedenk dabei jenes Saleph, eines Enkels Ebers, von dem Eliezer ihm erzählt hatte, daß er als erster die »Wasserbäche auf sein Gebiet geleitet« hatte und der Erfinder der Berieselung gewesen war.
Was aber die außerordentlichen Vorkehrungen zur Aufhäufung, die Speicherbauten, betraf, so ist einmal mehr auf die ägyptische Landesidee der Vorsicht und sichernden Vorsorge zu verweisen, um zu erklären, daß auch diese Verfügung Josephs den Kindern Keme’s wohlgefiel. Seine persönliche Überlieferung von der Flut und dem klugen Kastenbau, der das Menschengeschlecht wie die Geschlechter der Tiere vor restlosem Untergange bewahrt hatte, vereinigte sich darin mit dem Sicherheits- und Abwehr-Instinkt einer alten und verletzlichen Civilisation, die unter prekären Verhältnissen alt geworden war. Ihre Kinder waren sogar geneigt, in Josephs Vorratshäusern etwas Zauberhaftes zu sehen; denn sie waren gewohnt, sich gegen das Eindringen immer lauernder Dämonen-Bosheit durch ein möglichst undurchlässiges Gefüge magischer Zeichen und Sprüche zu sichern; darum mochten in ihrem Geiste die Ideen »Vorsicht« und »Zauber« wohl für einander eintreten und ihnen auch so nüchterne Vorkehrungen wie Josephs Kornspeicher in einem zauberhaften Lichte erscheinen lassen.
Mit einem Worte: der Eindruck herrschte vor, daß Pharao, so jung er war, mit der Einsetzung dieses jungen Erntevaters und Schattenspenders einen glücklichen Griff getan hatte. Seine Autorität sollte sich im Lauf der Jahre gewaltig steigern, aber gleich jetzt kam ihr zugute, daß schon dieses Jahr der Nil sehr groß gewesen war, so daß unter der neuen Verwaltung eine weit über mittelgute Ernte, besonders an Weizen, Grünkern und Gerste, eingebracht werden und reichliches Durra-Korn von den Stengeln gekämmt werden konnte. Wir haben Zweifel, ob es erlaubt ist, ein Jahr, dessen Wohlstand schon ausgemacht war, als Joseph vor Pharao stand, unter die Prophezeiung fallen zu lassen und es den Jahren der fetten Kühe zuzurechnen. Aber später geschah das, wohl in dem Bestreben, die Zahl der Segensjahre auf sieben zu bringen, was aber auch damit nicht ganz gelang. Auf jeden Fall war es
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