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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Kammern der Häuser lag. Es scheint gewagt und willkürlich, eine solche frühe Anwandlung seiner Brust, die schließlich die Sache weniger betrachtender Augenblicke war, mit seiner gegenwärtigen Handlungsweise nicht nur in Beziehung zu setzen, sondern diese geradezu auf jene zurückzuführen. Und doch haben wir einen Beweis in Händen für die Richtigkeit dieser Bezugnahme in den Worten, die Joseph eines Tages zwischen damals und jetzt zu seinem Käufer, dem Alten, sagte, als sie zusammen in Menfe, der Grabesgroßstadt, waren. Wie er da leichthin gesagt hatte, er habe was übrig für diese Stätte, deren Tote nicht übers Wasser zu fahren brauchten, weil sie schon selber im Westen des Stromes lag, und sie könne ihm passen unter den Stätten Ägyptens, – das war so überaus kennzeichnend gewesen für Rahels Ältesten, wie er es selber kaum wußte, und sein Vergnügen daran, daß die Leutchen dort, spöttisch gelaunt auf Grund ihrer gleichförmigen Menge, den uralten Grabesnamen der Stadt »Men-nefru-Mirê« keck-gemütlich zu »Menfe« zusammengezogen hatten, – dies Vergnügen war beinahe er selbst, es offenbarte das Tiefste seiner Natur, etwas sehr Tiefes in der Tat und in jedem Fall, obgleich nur ein gehalten-heiterer Name ihm zukommt: »Sympathie«. Denn Sympathie ist eine Begegnung von Tod und Leben: die echte entsteht nur, wo der Sinn für das eine dem Sinn für das andre die Waage hält. Sinn für den Tod allein schafft Starre und Düsternis; Sinn für das Leben allein schafft platte Gewöhnlichkeit, die auch keinen Witz hat. Witz eben und Sympathie entstehen nur da, wo Frömmigkeit zum Tode getönt und durchwärmt ist von Freundlichkeit zum Leben, diese aber vertieft und aufgewertet von jener. So war Josephs Fall; so waren sein Witz und seine Freundlichkeit. Der doppelte Segen, mit dem er gesegnet war, von oben herab und von der Tiefe, die unten liegt, der Segen, über den Jaakob, sein Vater, sich noch auf dem Sterbebette erging, indem er beinahe so tat, als spendete und verliehe er ihn, da er ihn doch nur feststellte, – dies war er. Bei Untersuchungen der moralischen Welt, die eine verwickelte Welt ist, geht es ohne einige gründliche Gelehrsamkeit nicht ab. Von Jaakob hatte es immer geheißen, er sei »tâm«, nämlich »redlich« und wohne in Zelten. Aber »tâm« ist ein seltsam oszillierendes Wort, das mit »redlich« sehr schwach übersetzt ist, denn sein Sinn umfaßt beides, das Positive und Negative, das Ja und das Nein, Licht und Finsternis, Leben und Tod. Es findet sich wieder in der merkwürdigen Formel »Urim und Tummim«, wo es, im Gegensatz zu dem lichten, bejahenden »Urim« offenbar für den dunklen, vom Tode beschatteten Welt-Aspekt steht. Tâm oder Tummim ist das Helle und Finstere, das Oberweltliche und Unterweltliche zugleich und im Austausch – und Urim nur das Fröhliche, in Reinkultur davon abgesondert. »Urim und Tummim« spricht also eigentlich keinen Gegensatz aus, sondern es läßt das geheimnisvolle Faktum beobachten, daß, wenn man vom Ganzen der moralischen Welt einen Teil absondert, immer noch das Ganze dem Teile gegenübersteht. Es ist nicht so leicht, klug zu werden aus der moralischen Welt, schon darum nicht, weil sehr oft das Sonnige darin auf das Unterweltliche deutet. Esau zum Beispiel, der Rote, der Mann der Jagd und der Steppe, war ein entschiedener Sonnen- und Unterweltsmann. Aber obgleich Jaakob, sein jüngerer Zwilling, sich als Mond-Hirte sanft gegen ihn abhob, ist nicht zu vergessen, daß er den Hauptteil seines Lebens in der Unterwelt, nämlich bei Laban, verbrachte, und mit »redlich« sind die Mittel, mit denen er dort golden und silbern wurde, mehr als ungenau bezeichnet. »Urim« war er gewiß nicht, sondern eben »tâm«, nämlich ein Weh-Frohmensch, wie Gilgamesch. Und das war auch Joseph, dessen rasche Anpassung an die sonnige Unterwelt Ägyptenlandes ebenfalls nicht auf eine bloße Urim-Natur deutet. »Urim und Tummim«, das wäre etwa zu übersetzen mit »Ja – ja, nein«, also mit einem Ja-Nein, das noch mit dem Vorzeichen eines zweiten Ja versehen ist. Rein rechnerisch gesehen, bleibt da freilich, da ein Ja und ein Nein einander aufheben, nur das zusätzliche Ja übrig; aber das Rein-Rechnerische hat keine Farbe, und zum mindesten läßt solche Mathematik die dunkle Färbung des resultierenden Ja außer Acht, die offenbar eine Nachwirkung des rechnerisch doch aufgehobenen Nein ist. – Das alles ist, wie gesagt, verwickelt. Am besten tun wir zu

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