Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
einzelner, stark gebliebener oder doch sich unabhängig gebärdender Gaufürsten, Erbgüter, die wie Inseln eines überalterten Feudalismus hie und da über das Reich sich hin hervortaten und, gleich den Gottesäckern, als unumschränktes Eigentum ihrer Herrn betrachtet sein wollten. Während aber jene von Josephs Verwaltung grundsätzlich in Ruhe gelassen wurden, ging er gegen die verstockten Barone sehr scharf vor, indem er von Anfang an ihren Bodenbesitz ohne Federlesens in sein Abgaben- und Rücklage-System einbezog und mit der Zeit zu ihrer schlichten Enteignung zugunsten der Krone gelangte. Es ist nicht richtig zu sagen, daß die eigentümlichen agrarischen Verhältnisse des sogenannten neuen Reiches, die anderen Völkern so auffällige Erscheinung also, daß im Nil-Lande aller Grund und Boden, außer dem der Priester, dem König gehörte, durch die Maßregeln des Sohnes Jaakobs geschaffen worden seien. In Wirklichkeit vollendete er nur eine ohnehin weit fortgeschrittene Entwicklung, indem er Verhältnisse, die schon vor ihm bestanden hatten, befestigte, rechtlich klärte und zum vollen Bewußtsein brachte.
Obgleich seine Reise sich nicht auf die Negerländer, auch nicht auf syrisch-kenanitische Gebiete erstreckte und er in diese Gegenden nur Beauftragte sandte, nahm die Musterung doch zwischen zwei und dreimal siebzehn Tage in Anspruch, denn es gab viel zu verzeichnen und dem Überblick zu unterwerfen. Dann kehrte er in die Hauptstadt zurück, wo er mit seiner Beamtenschaft ein Staatsgebäude an der Straße des Sohnes bezog, und von dort erging denn noch rechtzeitig vor der diesjährigen Ernte in Pharao’s Namen das berühmte Bodengesetz, das sogleich im ganzen Lande ausgeschrien wurde und die Abgaben an Feldfrucht allgemeingültig und ohne Ansehung der Person oder des Ernte-Ausfalls auf den Fünften festsetzte, welcher pünktlich und ungemahnt – wenn aber nicht ungemahnt, dann sehr nachdrücklich gemahnt – in die königlichen Vorratshäuser abzuliefern war. Gleichzeitig konnten die Kinder Ägyptens beobachten, daß über das ganze Land hin, in den Städten, großen und kleinen, und in ihrer Umgebung diese Magazine unter Aufgebot vieler Arbeitskräfte in noch nicht gesehenem Maße vermehrt und erweitert wurden, – im Überfluß, so mußte man denken; denn notwendig standen viele davon anfangs noch leer. Trotzdem wurden ihrer immer noch mehr gebaut, denn ihr Überfluß war auf den Überfluß berechnet, den, wie man hörte, der neue Adôn der Aufschüttung und Freund der Ernte Gottes wahrgesagt hatte. Wo man ging und stand, sah man in dichten Reihen, oft zu weiten, hofbildenden Vierecken zusammengefaßt, die kegelförmigen Kornspeicher, mit ihren Einfüllungsluken oben und ihren versicherten Entnehmungstüren unten, sich erheben; und sie waren besonders solide gebaut: auf terrassenförmigen Plattformen aus gestampftem Lehm, die sie vor Bodenfeuchtigkeit und vor dem Eindringen der Mäuse schützten. Unterirdische Gruben zur Aufnahme von Halmfrucht kamen vielfach auch noch hinzu, wohl ausgeschlagen, mit fast unkenntlich gemachten, dabei aber vom polizeilichen Auge scharf überwachten Zugängen.
Es erfreut zu sagen, daß beide Maßnahmen, das Steuergesetz sowohl wie die Beschaffung so großen Vorratsraumes, entschiedene Volkstümlichkeit genossen. Steuern hatte es, versteht sich, immer gegeben, in mancherlei Gestalt. Nicht umsonst pflegte der alte Jaakob, der nie dort gewesen war, aber sich ein pathetisch Bild davon machte, von dem »ägyptischen Diensthaus« zu sprechen, wenn auch seine Mißbilligung den besonderen Bedingungen des Unterlandes nicht genügend Rechnung trug. Die Arbeitskraft der Kinder Keme’s gehörte dem König, damit fing es an, und sie wurde genutzt zur Errichtung ungeheurer Gräber und unglaublicher Prahlbauten, gewiß, auch dafür. Vor allem aber bedurfte man ihrer zur Versehung all des Hebe- und Grabewerks, das für das Gedeihen des grundsonderbaren Oasen-Landes so unentbehrlich war, der Instandhaltung der Wasserstraßen, des Aushebens von Gräben und Kanälen, des Befestigens der Dämme, der Betreuung der Schleusen, – lauter Dinge, deren Versorgung man, da das Gesamtwohl davon abhing, nicht der mangelhaften Einsicht und dem zufälligen Privatfleiß der Untertanen überlassen konnte. Daher hielt der Staat seine Kinder dazu an, für ihn mußten sie’s tun. Wenn sie es aber getan hatten, dann mußten sie das Getane versteuern. Sie mußten Steuern entrichten für die Kanäle, Seen
Weitere Kostenlose Bücher