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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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bekannten, wenn Joseph sich ihrer angenommen hätte. Man darf nicht vergessen, daß des Reiches Herrlichkeit ihn, so sehr er seiner äußeren Gesittung nach zum Ägypter geworden war, im Grunde nichts anging, und daß, so energische Wohltaten er den Dortigen erwies, so umsichtig er dem Öffentlichen diente, sein innerstes Augenmerk doch immer auf Geistlich-Privates und Weltbedeutend-Familiäres, auf die Förderung von Plänen und Absichten gerichtet blieb, die mit dem Wohl und Wehe Mizraims wenig zu tun hatten. Man kann gewiß sein, daß er Pharao’s Träume und was sie ankündigten sofort zu diesen Plänen und Absichten, zum Gedanken der Erwartung und Wegbereitung in Beziehung gesetzt hatte, ja, eine gewisse Zielstrebigkeit, die seinem Verhalten vor Pharao’s Stuhl nicht abzusprechen ist, könnte erkaltend wirken und der Sympathie Abbruch tun, die auch wir dem Rahelskind zu bewahren wünschen, wenn nicht der Hörer bedächte, daß Joseph es als seine Pflicht betrachtete, den Absichten Vorschub zu leisten und Gott bei ihrer Verfolgung nach besten Kräften behilflich zu sein.
    Eingesetzt war er, was seine Titel sonst nun auch noch besagen mochten, als Ernährungs- und Ackerbau-Minister und führte in dieser Eigenschaft wichtige Reformen durch, unter denen besonders sein Grundrenten-Gesetz sich dem Gedächtnis eingeprägt hat. Die Befugnisse dieses Geschäftskreises aber hat er nie überschritten, und selbst wenn man in Betracht zieht, daß die Angelegenheiten des Schatzhauses und die Verwaltung der Kornspeicher in zu nahem Zusammenhang mit seinem Amtsbereich standen, als daß seine Autorität sich nicht auch auf sie hätte erstrecken sollen, so bleiben Bezeichnungen wie »Herr über Ägyptenland« und »Regent« immer noch märchenhafte Verschönerungen der Sachlage. Allerdings ist ein weiteres zu berücksichtigen. Unter Verhältnissen, wie sie während der ersten, entscheidenden zehn bis vierzehn Jahre seiner Machtausübung herrschten, – Verhältnissen, in deren Erwartung er ja bestallt worden war, – mußte die Bedeutung gerade seines Amtes ins Außerordentliche wachsen und tatsächlich die aller anderen in den Schatten stellen. Die Hungersnot, die fünf bis sieben – eher fünf – Jahre nach seiner Erhöhung zugleich in Ägypten und den benachbarten Ländern ausbrach, machte den Mann, der sie vorausgesehen, der ihr vorgebeugt hatte und den Menschen leidlich durch sie hindurchzuhelfen wußte, praktisch zur wichtigsten Figur des Reiches und seine Verfügungen lebenswichtig vor allen anderen. Wie es denn also wohl gehen mag, daß die Kritik, ist sie nur gründlich genug, zuletzt zur Anerkennung des Volksmundes zurückführt, so wollen wir es nur gut sein lassen, daß Josephs Stellung, wenigstens eine ganze Reihe von Jahren hin, in der Tat derjenigen eines »Herrn über Ägyptenland« gleichkam, ohne dessen Willen niemand seine Hand oder seinen Fuß regen mochte in beiden Ländern.
    Vorderhand nun, unmittelbar nach seiner Ermächtigung, unternahm er, zu Schiff und zu Wagen, umgeben von einem größeren Schreiberstabe, den er sich ausgewählt und der sich ganz vorwiegend aus jungen, im Amtstrott noch nicht verknöcherten Leuten zusammensetzte, eine Musterungsreise über das ganze Land Ägypten, um sich über alle Dinge der schwarzen Erde eine Kenntnis aus erster Hand zu verschaffen, und sich, bevor er Maßregeln traf, wahrhaft zum Herrn des Überblicks zu machen. Die Besitzverhältnisse waren dort unten eigentümlich unbestimmt und zweideutig. Dem Gedanken nach gehörte, wie überhaupt alles, so auch jedweder Grund und Boden dem Pharao. Die Länder, einschließlich der eroberten oder doch tributpflichtig gemachten Provinzen bis zu »jenem elenden Lande Nubien« und bis an die Grenze Mitanni-Landes waren im Grunde sein Privat-Eigentum. Dabei aber hoben die eigentlichen Staatsdomänen, die »Güter Pharao’s« sich doch als besonderer Kronbesitz sowohl von den Latifundien ab, die frühere Könige ihren Großen zum Geschenk gemacht hatten, wie auch von den kleineren Edel- und Bauerngütern, die als persönlicher Besitz ihrer Wirte galten, obgleich es sich genau genommen um zinspflichtige Lehen und um ein Pacht-Verhältnis, wenn auch mit freiem Vererbungsrecht handelte. Ausgenommen waren nur die Tempel-Ländereien, namentlich die Äcker Amuns, die wirkliche Freigüter und aller Abgaben ledig waren, und jene Reste einer älteren, aus Sondergerechtsamen sich zusammensetzenden Verfassung der Länder, Besitzungen

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