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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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zu führen in deiner Stube, wie du es liebst, und der Geschichte von den drei Liebschaften eine erfreuliche Form zu finden. Groß ist das Schrifttum! Aber größer noch ist es freilich, wenn das Leben selbst, das man lebt, eine Geschichte ist, und daß wir in einer Geschichte sind, einer vorzüglichen, davon überzeuge ich mich je länger je mehr. Du bist aber mit darin, weil ich dich hineinnahm zu mir in die Geschichte, und wenn in Zukunft die Leute vom Haushalter hören und lesen, der mit mir war und mir zur Hand ging in erregenden Stunden, so sollen sie wissen, daß du es warst, dieser Haushalter, Mai-Sachme, der ruhige Mann.«
    Das Mädchen
    Im Anfang einst ließ Gott einen tiefen Schlaf fallen auf den Mann, den er in den Garten des Ostens gesetzt hatte, und da der Mann schlief, nahm Gott seiner Rippen eine und schloß ihre Stätte zu mit Fleisch. Aus der Rippe aber baute er ein Weib, in der Erwägung, es tue nicht gut, daß der Mensch allein sei, und brachte sie zum Menschen, daß sie um ihn sei, ihm zur Gesellschaft und zur Gehilfin. Und es war sehr gut gemeint.
    Die Zubringung wird von den Lehrern gar herrlich ausgemalt – so und so, lehren sie, sei es dabei zugegangen, und tun, als müßten sie’s wissen, – mag übrigens sein, sie wissen es wirklich. Gott wusch das Weib, so versichern sie, er wusch sie rein (denn etwas klebrig war sie wohl noch, die ehemalige Rippe), salbte sie, schminkte ihr Angesicht, kräuselte ihr Haar und schmückte sie auf ihr dringliches Verlangen an Haupt, Hals und Armen mit Perlen und köstlichen Steinen, darunter Sarder, Topas, Demant, Jaspis, Türkis, Amethyst, Smaragd und Onyx. So aufgeschönt brachte er sie vor Adam mit einem Geleit von Tausenden von Engeln, unter Liedern, Gesängen und Saitenspiel, um sie dem Manne anzuvertrauen. Da gab es ein Fest und ein Mahl, will sagen: ein Festmahl, an dem, wie es scheint, Gott selber leutselig teilnahm, und die Planeten führten einen Reigen auf, zu welchem sie selbst die Musik machten.
    Das war das erste Hochzeitsfest, aber wir hören nicht, daß es auch gleich schon eine Hochzeit gewesen sei. Zur Gehilfin hatte Gott das Weib für Adam gemacht, einfach nur, damit sie um ihn sei, und hatte sich offenbar nichts weiter dabei gedacht. Daß sie mit Schmerzen Kinder gebären solle, dazu verflucht’ er sie erst, nachdem sie mit Adam vom Baum gegessen hatte und ihrer beider Augen aufgetan worden waren. Zwischen dem Fest der Zuführung und dem, daß Adam sein Weib erkannte und sie ihm den Ackersmann und den Schäfer gebar, in deren Spuren Esau und Jaakob wandelten, – dazwischen kommt erst noch die Geschichte vom Baum und der Frucht und der Schlange und der Erkenntnis von Gut und Böse, – und auch für Joseph kam sie zuerst daran. Auch er erkannte das Weib erst, nachdem er zuvor gelernt hatte, was Gut und Böse ist: von einer Schlange, die ihn für ihr Leben gern gelehrt hätte, was sehr, sehr gut ist, aber böse. Er aber widerstand ihr und hatte die Kunst, zu warten, bis es gut war und nicht mehr böse.
    Der armen Schlange auch hier wieder zu gedenken, kann niemand umhin, wo die Sonnenuhr die Stunde von Josephs Hochzeit zeigt, die er mit einer anderen beging, und tat Haupt und Füße mit ihr zusammen – statt mit jener. Absichtlich, um weit verbreiteter Wehmut vorzubeugen, haben wir der andren schon vorher, an schicklichem Platze, gedacht und wissen lassen, daß sie wieder zur kühlen Mondnonne geworden war, die das Ganze längst nichts mehr anging. Die stolze Bigotterie, der sie sich wieder ergeben, mag die Bitterkeit hintanhalten, die sonst uns alle heute wohl ankommen würde um ihretwillen. Auch war es gut für ihre Seelenruhe, daß Joseph nicht zu Theben, in ihrer Nähe, sondern fern in seinem Hause zu Menfe Hochzeit hielt, wohin Pharao, der diese Sache von Anfang an eifrig betrieben hatte, eigens herunterkam, um in Person teilzunehmen am Festmahl und am Planetenreigen. Er spielte recht eigentlich die Rolle Gottes in dieser Sache, angefangen von der Überlegung, es sei nicht gut, daß der Mann allein sei; denn gleich hatte er dem Joseph verkündet, welche Annehmlichkeit es sei, verheiratet zu sein, wobei er allerdings, ungleich Gott, aus Erfahrung sprach, denn er hatte ja Nofertiti, sein Morgenwölkchen, goldumsäumt. Gott aber war immer allein gewesen und sorgte nur für den Menschen. Ganz ähnlich wie er aber sorgte Pharao für Joseph und hatte, sobald er ihn erhöht, angefangen, sich nach einer Staatsheirat für ihn umzusehen, die

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