Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
lag gar kein Grund vor, nicht einmal zu einem Kummer, der über das natürliche Leidwesen von Eltern hinausgegangen wäre, die ihr einzig Kind in die Ehe entlassen. Es mußte eben nur von Asnaths Mädchentum und ihrem Raube soviel Wesens wie möglich gemacht und der Bräutigam als eine sehr dunkle Erscheinung hingestellt werden, ob sich das Erzeugerpaar gleich an dem Zusammentreffen hätte freuen können und sich auch wohl wirklich daran freute – denn Pharao hatte es sie ausdrücklich wissen lassen, – daß Jungfräulichkeit sich hier der Jungfräulichkeit gesellte, und daß der Bräutigam selbst in seiner Art eine Jungfrau war, ein lange Beeiferter und Vorbehaltener und eine Braut, aus der nun der Freier hervortrat. Daß dies geschah, das hatte er abzumachen mit seines Vaters Gott, dem Bräutigam seines Stammes, dessen Eifer er so lange geschont hatte und nun also nicht mehr schonte, oder nur insofern schonte, als er eine besonders und exemplarisch jungfräuliche Heirat einging – wenn das eine Einschränkung ist. Es hätte wohl keinen Sinn, uns Sorgen deswegen zu machen trotz aller Implikationen, die dem Schritt anhafteten; denn Joseph schloß ja eine ägyptische Heirat, eine Heirat mit Scheol, eine Ismael-Heirat, nicht ohne Vorbild also, aber immerhin von bedenklichem Vorbild und all der Nachsicht bedürftig, deren er sich, wie es scheint, zutraulich versichert hielt. Die Lehrer und Ausdeuter haben vielfach Anstoß daran genommen und die Tatsache verschwinden zu lassen gesucht. Sie haben es um der Reinheit willen so hingestellt, als sei Asnath garnicht das rechte Kind Potiphera’s und seines Weibes gewesen, sondern ein Findelkind, und zwar das ausgesetzte und in einem Korbe angeschwemmte Kind von Jaakobs einst verstoßener Tochter Dina, so daß Joseph also seine Nichte geehelicht hätte, wodurch aber die Sache darum nicht sonderlich gebessert würde, weil diese Nichte ja zur Hälfte das Fleisch und Blut des zappligen Sichem war, eines baalgläubigen Kanaaniters. Überdies darf uns die Ehrfurcht vor den Lehrern nicht hindern, die Geschichte von Dina’s Schilfkind für das zu erklären, was sie ist, nämlich für eine Interpolation und fromme Finte. Asnath, das Mädchen, war des Potiphera und seines Weibes rechtes Kind, ein rein ägyptisches Blut, und die Söhne, die sie dem Joseph schenken sollte, die Stammhalter Ephraim und Manasse, waren schlecht und recht ägyptisches Halbblut – man denke nun darüber, wie man wolle. Auch war das nicht einmal alles. Denn durch seine Heirat mit der Sonnentochter trat Israels Sohn in ein nahes Verhältnis zum Tempel des Atum-Rê, ein priesterliches Verhältnis, wie das auch in den Absichten Pharao’s gelegen hatte, als er diese Heirat einleitete. Es war fast nicht denkbar, daß ein Mann in so hohem Staatsamte wie Joseph nicht auch zugleich eine höhere priesterliche Funktion hätte ausüben und Tempel-Einkünfte hätte beziehen sollen, und beides tat Joseph als Asnaths Gemahl, man mache daraus, was man kann: er wurde, wenn man es kraß ausdrücken will, zum Inhaber einer Götzenpfründe. Zu seiner Staatsgarderobe gehörte fortan das priesterliche Leopardenfell, und unter Umständen kam er in die Lage, amtlich vor einem Bilde, dem Falken Horachte mit der Sonnenscheibe auf dem Kopf, zu räuchern.
Die Wenigsten haben sich seither diese Dinge klar gemacht, und sie bei Namen nennen zu hören mag manchem durch und durch gehen. Aber für Joseph war offenbar die Zeit der Erlaubnisse gekommen, und man kann sich darauf verlassen, daß er mit demjenigen, der ihn von den Seinen abgesondert, ihn nach Ägypten verpflanzt und dort hatte groß werden lassen, über all dies ins Reine zu kommen wußte. Vielleicht setzte er bei diesem die Zustimmung zur Philosophie des Dreiecks voraus, nach welcher ein Opfer an des verbindlichen Horachte Alabastertisch keinen Raub an irgend einer anderen Gottheit bedeutete. Schließlich handelte es sich nicht um den erstbesten Tempel, sondern um den des Herrn des weiten Horizontes, und Joseph mochte es sich so zurechtlegen, daß es geradezu ein Fehler und eine Narrheit, das heißt: eine Sünde gewesen wäre, dem Gott seiner Väter einen engeren Horizont vorzuschreiben als dem Atum-Rê. Und ganz zuletzt darf man nicht vergessen, daß aus diesem Gotte kürzlich der Atôn hervorgetreten war, zu dem man, nach Josephs Übereinkunft mit Pharao, nur recht betete, wenn man ihn nicht den Atôn, sondern den Herrn des Atôn, und nicht »unsern Vater am Himmel«,
Weitere Kostenlose Bücher