Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
eine solche eben sein mußte, das heißt: sehr vornehm und staatsklug berechnet, dabei aber erquicklich, was nicht leicht zu vereinigen war. Aber wie Gott dem Adam, beschaffte er seinem Geschöpfe die Braut, führte sie ihm zu unter Harfen- und Cymbelklang und nahm selbst an der Hochzeit teil.
Wer war nun diese Braut, Josephs Gemahl, und wie hieß sie? Jedermann weiß es, aber das mindert um nichts den Genuß, mit dem wir es aussagen, noch haben wir die leiseste Sorge, daß es die Freude der Hörer vermindern könnte darüber, es neu zu erfahren. Außerdem hat mancher es wohl gar vergessen, weiß nicht mehr, daß er’s weiß, und wüßte garnicht Antwort zu geben. Es war Asnath , das Mädchen, die Tochter des Sonnenpriesters zu On.
So hoch hatte Pharao gegriffen bei seiner Wahl – er hätte nicht höher greifen können. Die Tochter des Ober-Hausbetreters des Rê-Horachte zu heiraten galt für etwas nahezu Unerhörtes und grenzte ans Sakrileg, – obgleich natürlich auch wieder das Mädchen zur Ehe und Mutterschaft bestimmt war und niemand wünschte, daß sie unvermählt und verschlossen bliebe. Dennoch stand derjenige, der sie bekam, auf irgend eine – zwar notwendige und wünschenswerte, aber doch dunkle, der Untat nahe kommende Weise – als Räuber da. Sie wurde nicht hingegeben, sie wurde geraubt – das war die Ansicht und Denkungsweise in ihrem Fall, auch wenn alles dabei ganz ordnungsmäßig und nach bester Verabredung vor sich ging, und es gab kein zweites Paar Eltern in der Welt, das aus dem Übergange ihres Kindes in die Hände eines Gatten ein solches Aufhebens machte. Besonders die Mutter war oder stellte sich völlig verzweifelt und außer sich; sie konnte nicht genug die Unfaßlichkeit des Ereignisses betonen, rang die Hände und gab sich eine Miene, als sei sie selbst vergewaltigt worden oder sollte es werden, weshalb unter den ihr bei dieser Gelegenheit zukommenden Äußerungen auch – freilich mehr ceremonielle als ernst gemeinte – Racheschwüre waren.
Dies alles aber kam daher, daß das Mädchentum der Sonnentochter mit einem besonderen Panzer und Schilde der Heiligkeit und einer – im Grunde doch zur Berührung bestimmten – Unberührbarkeit umkleidet war. Von Jungfräulichkeit umgürtet wie keine sonst, war sie die Jungfrau der Jungfrauen, das Mädchen ganz insbesondere, der Inbegriff des Mädchens. Der Gattungsname wurde ihr geradezu zum Eigennamen: »Mädchen« wurde sie genannt und gerufen ihr Lebenlang, und der Gemahl, der ihre Magdschaft brach, der Mädchenräuber, beging nach allgemeiner Auffassung ein göttliches Verbrechen, – wobei die Hauptbezeichnung durch das Beiwort gemildert, veredelt und gewissermaßen aufgehoben wurde. Doch blieb das Verhältnis des Schwiegersohns zu den Eltern des Mädchens, besonders zur händeringenden Mutter, mochte es sich im Privaten auch durchaus freundschaftlich gestalten, nach außen hin immer gespannt; in gewissem Sinne willigten jene niemals darein, daß die Tochter eigentlich dem Gatten gehöre, und in den Ehevertrag war sogar regelmäßig die Auflage eingeschlossen, daß das Kind nicht allezeit an der Seite des düsteren Räubers wohnen, sondern für einen gewissen, gar nicht geringen Teil des Jahres zu den Sonnen-Eltern zurückkehren solle, um wieder als Jungfrau bei ihnen zu leben, – eine Bedingung, die nicht immer wörtlich, sondern meist nur andeutungsweise, in Gestalt von Besuchen der Gattin im Elternhause, wie sie sonst auch gang und gäbe sind, eingehalten wurde.
Dies alles bezog sich, wenn das hochpriesterliche Paar mehrere Töchter hatte, vorzüglich auf die Erstgeborene und nur in abgeschwächtem Maß auch auf die jüngeren. Asnath aber, sechzehnjährig, war die Einzige – und da kann man sich denken, was für eine göttliche Untat und Räuberei es war, sie zu heiraten! Ihr Vater, Horachte’s Groß-Prophet, war natürlich derselbe nicht, der zur Zeit von Josephs erstem Besuche zu On, mit den Ismaelitern, ein milder Greis, den goldenen Stuhl am Fuße des großen Obelisken vor der geflügelten Sonnenscheibe eingenommen hatte. Es war sein erwählter Nachfolger, auch gütig-mild und heiter, – so hatte jeder Diener des Atum-Rê von Amtes wegen zu sein, und wenn er es von Natur nicht war, so verhalf ihm notwendige Verstellung dazu, daß es ihm zur Natur wurde. Der Zufall wollte es bekanntlich, daß dieser ebenso hieß wie Josephs Käufer, der Höfling des Lichtes, nämlich Potiphera oder Peteprê, – und wie hätte ein Mann
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