Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
seiner Stellung richtiger heißen können als so: »Die Sonne hat ihn geschenkt«? Sein Name spricht dafür, daß er für dieses Amt geboren und dafür vorbestimmt war. Vermutlich war er der Sohn jenes Greisen im Goldkäppchen und Asnath also dessen Enkelin. Was ihren Namen anging, den sie Ns-nt schrieb, so hing er mit dem der Göttin Neith von Sais im Delta zusammen; er bedeutete »Die der Neith Gehörige«, und das »Mädchen« war also eine erklärte Schutzbefohlene dieser Gewappneten, deren Fetisch ein Schild mit zwei kreuzweise darauf genagelten Pfeilen war und die auch in Menschengestalt ein Pfeilbündel auf dem Kopfe zu tragen pflegte.
So tat auch Asnath. Ihr Haar oder die stilisierte Kunst-Perücke darüber, deren Arbeit es hierzulande immer ein wenig unentschieden ließ, ob es sich um ein Kopftuch oder eine Haartour handelte, war jederzeit mit entweder durchgesteckten oder obenauf befestigten Pfeilen geschmückt; und was den Schild, ein treffendes Bild ihrer außerordentlichen Jungfräulichkeit, betraf, so kehrte er oftmals in ihrem Schmucke wieder, der am Halse, am Gürtel und an den Armen wiederholt die Form dieses Zeichens der Undurchdringlichkeit nebst den gekreuzten Pfeilen zeigte.
Bei all dieser Wehr und äußerlich betonten Stech-Bereitschaft nun aber war Asnath ein sowohl liebreizendes wie höchst gutartiges, sanftes und fügsames, in den Willen ihrer vornehmen Eltern, in den Pharao’s und dann in den ihres Gatten bis zur eigenen Willenlosigkeit ergebenes Kind, und gerade die Vereinigung heilig-spröder Versiegeltheit mit einer ausgesprochenen Neigung zum Mit-sich-geschehen-Lassen und zum duldenden Hinnehmen ihres weiblichen Loses war das Kennzeichen für Asnaths Charakter. Ihr Gesicht war von typisch-ägyptischer Bildung, feinknochig, mit etwas vorgebautem Unterkiefer, entbehrte aber nicht eines persönlichen Gepräges. Noch waren die Wangen kindlich voll, voll auch die Lippen mit einer weichen Vertiefung darunter zwischen Mund und Kinn, die Stirne rein, das Näschen allenfalls etwas zu fleischig, der Blick der großen, schön ummalten Augen von einem eigentümlich starren, lauschenden Ausdruck, ein wenig wie bei Tauben, ohne daß sie im entferntesten taub gewesen wäre: es malte sich in diesen Blicken nur innere Gewärtigkeit, das Horchen auf einen vielleicht bald erschallenden Befehl, eine dunkel-aufmerksame Bereitschaft, den Ruf des Schicksals zu vernehmen. Das beim Sprechen immer sich zeigende Grübchen in einer Wange stand in entschuldigendem Gegensatz dazu, – und das Ganze war einmalig-lieblich.
Lieblich und gewissermaßen einmalig war auch ihr Körperbau, der durch die gesponnene Luft ihrer Kleidung schien, ausgezeichnet durch eine von Natur ausnehmend schmal und wespenartig eingezogene Taillengegend mit entsprechend ausladendem Becken und langer Bauchpartie darunter, einem gebärtüchtigen Schoß. Ein starrender Busen und Arme von schlankem Ebenmaß mit großen Händen, die sie gern völlig ausgestreckt trug, vollendeten das bernsteinfarbene Bild dieser Jungfräulichkeit.
Unter Blumen führte Asnath, das Mädchen, bis zu ihrem Raube ein blumenhaftes Dasein. Ihr Vorzugsaufenthalt war das Ufer des Heiligen Sees im Tempelbezirk ihres Vaters, wo ein welliges Wiesenland war, blumenreich, Narzissen und Anemonen wuchsen dort teppichgleich, und nichts liebte sie mehr, als mit ihren Gespielinnen, Priestertöchtern und Töchtern der Großen von On, auf dieser Aue am spiegelnden Wasser zu wandeln, zu pflücken und kränzewindend im Grase zu sitzen, den horchenden Blick unter erhobenen Brauen ins Weite gerichtet, das Grübchen dabei in der Wange, der Dinge wartend, die da kommen sollten. Und diese kamen; denn eines Tages waren Pharao’s Boten da, die von dem schwer nickenden Vater Potiphera, der händeringenden und ganz verständnislosen Mutter die Schildjungfrau zum Weibe forderten für Djepnuteefonech, den Vice-Horus, den Schattenspender des Königs. Sie selbst warf, geleitet von der Idee ihrer Existenz, die Arme zum Himmel empor, hilfeheischend, als griffe jemand sie um die schmale Leibesmitte und risse sie in ein Raubgefährt.
Dies alles war Mummenschanz und ein nur von Übereinkunft diktiertes Gebaren; denn nicht nur waren Pharao’s Wunsch und Werbung Befehl, sondern die Heirat mit seinem Günstling, des Königs Oberstem Mund, war auch ehrenvoll und erwünscht; das Elternpaar hätte für sein Kind nicht höher greifen können, als Pharao gegriffen hatte für Joseph, und zur Verzweiflung
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