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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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löblich, ohne staunenswert zu sein. Da aber das übernächste fast wieder ans zweite heranreichte und mindestens so gut war wie das erste; da ferner auch das vierte die Kennzeichnung »vortrefflich«, wenn nicht eine höhere, verdiente, so kann man sich denken, wie das Ansehen Josephs, des Vorstehers all dessen, was der Himmel gibt, beim Volke wuchs, und mit welch eifriger, freudiger Pünktlichkeit sein Grundrentengesetz, die Abgabe des schönen Fünften, von den Pflichtigen nicht minder als von seiner Beamtenschaft, durchgeführt wurde. »Die Früchte der Felder der Stadt«, heißt es, »rund herum, brachte er in ihre Mitte«, – das heißt, die Kornabgaben alles umliegenden Landes strömten jahraus, jahrein in die Speicher-Kegel zauberischer Vorsorge, die der Adôn in allen Städten und an ihren Rändern hatte errichten lassen, – in nicht übertriebener Anzahl, wie sich herausstellte; sie wurden voll, und immer noch neue mußte er nachbauen, so strömte die Steuer und so gut meinte Chapi, der Ernährer, es damals mit seinem Lande. Die Aufschüttung war tatsächlich wie Sand am Meer, das Lied und die Sage haben recht mit dieser Beschreibung. Wenn sie aber hinzufügen, man habe aufgehört zu zählen, denn es sei zum Zählen zu viel gewesen, so ist das eine begeisterte Übertreibung. Die Kinder Ägyptens hörten niemals auf zu zählen, zu schreiben und Buch zu führen, das lag nicht in ihrer Natur und konnte nicht vorkommen. Mochte die Fülle der Vorsorge sein wie Sand am Meer, so war es der schönste Anlaß dieser Verehrer des weißen Pavians, ihr Papier genußreich mit dichten Additionen zu bedecken, und die genauen Tabellen, die Joseph von seinen Einnehmern und Speicher-Vorstehern verlangte, – er erhielt sie durchaus.
    Man zählte fünf Jahre des Überflusses; Einige und sogar Viele aber zählten sieben. Es ist zwecklos, sich über diese Abweichung zu streiten. Daß ein Teil der Beobachter an der Fünf festhielt, mochte sich entsprechungsvoll auf die heilige Zahl der Übertage des Jahres und in Einem damit auf die ihr angepaßte Ziffer von Josephs Steuerquote gründen. Andrerseits sind fünf Jahre der Fettigkeit in einem Zuge etwas so Feiernswertes, daß nicht leicht jemand zögern wird, sie mit der Zahl Sieben zu verherrlichen. Es ist also möglich, daß man Sieben »Fünf« sein ließ, aber sogar eine Spur wahrscheinlicher ist es, daß man Fünf »Sieben« nannte, – offen gesteht der Erzähler hier seine Unsicherheit, da es nicht seine Art ist, Wissen vorzuspiegeln, wo er nicht wirklich genau Bescheid weiß. Allerdings schließt dies das Bekenntnis ein, daß nicht mit voller Bestimmtheit feststeht, ob Joseph zu einem gewissen Zeitpunkt während der sich anschließenden Hunger-Periode siebenunddreißig oder schon neununddreißig Jahre alt war. Sicher ist nur, daß er dreißig war, als er vor Pharao stand, – sicher von uns aus und sachlich gesprochen; denn ob er selbst genaue Auskunft darüber hätte geben können, ist zweifelhaft; und ob er also zu jenem späteren erregenden Zeitpunkt nur hoch in den Dreißigern oder schon so gut wie vierzig war, darüber legte er sich als Kind seiner Zone gewiß sehr lässige oder garkeine Rechenschaft ab, was uns mit unserer eigenen Unwissenheit versöhnen mag.
    In reifem Mannesalter stand er damals auf jeden Fall, und wenn er als Knabe statt nach Ägyptenland ins Babylonische wäre gestohlen worden, so hätte er längst einen schwarzen, gelockten und gesalbten Vollbart getragen, – ein Behang, der ihm bei einem bestimmten Versteckspiel nicht wenig zustatten gekommen wäre. Trotzdem wissen wir der ägyptischen Sitte eher Dank, die das Rahels-Antlitz rein hielt vom Barte. Daß jenes Spiel so lange gelang, weist darauf hin, welche Veränderungen die meißelnde Zeit, der Wechsel des Stoffes, die Sonne des Landes der Verpflanzung am bleibenden Gepräge immerhin vorgenommen hatte.
    Josephs Erscheinung hatte sich, bis er aus seiner zweiten Grube gezogen wurde und vor Pharao stand, mehr oder weniger im Jünglingsmäßigen gehalten. Um diese Zeit nun, nach seiner Eheschließung, während der fetten Jahre, da Gott ihn fruchtbar machte in Asnath, dem Mädchen, und diese ihm im Frauenflügel seines Hauses zu Menfe erst den Manasse und dann den Ephraim gebar, wurde er ein wenig schwer, – allenfalls etwas zu wuchtig von Gestalt, wobei aber nicht an Plumpheit zu denken ist: sein Wuchs war hoch genug, um diese Zunahme in guter Proportion zu halten, und das Gebieterische seiner

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