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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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beschlossenen Staatsheirat die Liebe nicht am Anfang der Dinge; sie hat sich zu finden und findet sich mit der Zeit zwischen gut gearteten Wesen. Ihr den Weg zu bereiten ist schon das bloße Bewußtsein gegebener Zusammengehörigkeit sehr hilfreich, aber in diesem Fall waren die Umstände ihrer Entstehung ausnehmend günstig. Ein gut Stück über die duldende Willenlosigkeit ihrer Natur hinaus war Asnath, das Mädchen, einverstanden mit ihrem Lose, das heißt: mit der Person des Räubers und Mörders ihrer Jungfräulichkeit, der sie um die eigens dazu eingerichtete schmale Leibesmitte faßte und in sein Reich riß. Der dunkelschöne, kluge und freundliche Günstling Pharaos erregte ihr ein Wohlgefallen, dessen Fähigkeit, sich zu innigerer Verbundenheit auszubilden, ihr nicht zweifelhaft war, und der Gedanke, daß er der Vater ihrer Kinder sein sollte, war einer Muschel gleich, in der die Perle der Liebe wächst. Nicht anders war es mit Joseph, dem Abgesonderten, in seinem Zustande außerordentlicher Lizenz. Er bewunderte Gott wegen der großzügig-weltlichen Vorurteilslosigkeit dieser Zuweisung – als ob die ewige Weisheit damit nicht eben nur seiner eigenen Weltlichkeit Rechnung getragen hätte – und stellte es Ihm anheim, wie Er die heikle Frage des Verhältnisses der Scheolskinder, die aus dieser Zuweisung erwachsen mochten, zu dem erwählten Stamm daheim zu ordnen gedachte. Aber dem aus der Jungfrau hervortretenden Freier ist nicht zu verargen, daß seine Gedanken weniger auf die zu erwartenden, aus Gott und Welt gemischten Kinder gerichtet waren, als auf die bisher verbotenen Neuigkeiten, denen sie allenfalls ihre Entstehung zu danken haben würden. Was einst böse gewesen war und nicht hätte stattfinden dürfen, sollte nun gut sein. Betrachte aber das Wesen, durch das das Böse gut wird, betrachte es, namentlich wenn es so lauschende Augen und eine so lieblich bernsteinfarbene Gestalt hat wie Asnath, das Mädchen, und du wirst fühlen, daß du es lieben wirst, ja, daß du es schon liebst.
    Pharao schritt zwischen ihnen, als am Ende des Festes der neu geordnete Fackelzug, in dem nun alle Gäste mitgingen, unter Jauchzen, Klagen, Myrtenstreuen und dem Fäuste-Schütteln der Mutter-Masken den Weg zum Brautgemach antrat, wo den Neuvermählten aufgebettet worden war mit Blumen und feinen Gespinsten. Die Sau-Reiterin stand schräg hinter der Gattin des Sonnenpriesters, als das Elternpaar, Sprüche murmelnd, an der Schwelle von Asnath, dem Mädchen, Abschied nahm, und raunte der Zürnend-Verzweifelten über die Schulter dergleichen zu, daß sie unter Tränen lachen mußte. Und ist es nicht auch zum Lachen und Weinen, was die körperliche Natur nach gebräuchlichem Schema den Menschen zugedacht hat, daß sie die Liebe besiegeln, oder, im Fall einer Staatsheirat, sich lieben lernen? Das Lächerliche und das Erhabene schwankten schattenhaft in einander im Ampelschein auch während dieser Hochzeitsnacht, wo Jungfräulichkeit auf Jungfräulichkeit traf und Kranz und Schleier zerrissen, – ein schwierig Zerreißungswerk. Denn eine Schildmagd war es, die die dunklen Arme umfingen, genannt »Das Mädchen«, eine hartnäckige Jungfrau, und in Blut und Schmerzen ward Josephs Erster gezeugt, Manasse, was das bedeutet: »Gott hat mich vergessen lassen all meine Bindungen und mein Vaterhaus.«
    Trübungen
    Es war das Jahr Eins der fetten Kühe und prallen Ähren – man zählte wohl sonst die Jahre von der Thronbesteigung des Gottes an, jetzt aber begann unter den Kindern Ägyptens diese Bezifferung nebenherzulaufen. Die Erfüllung hätte schon vor der Weissagung eingesetzt, – auf überzeugende Art nahm jene erst ihren Anfang, als das folgende Jahr das vorige an Segensreichtum noch weit übertraf und, während dies nur über-mittelgut gewesen war, sich als ein wahres Pracht-, Jubel- und Wunderjahr erwies, von überschwenglicher Fruchtbarkeit in allerlei Schnitt; denn der Nil war sehr groß und schön gewesen – nicht übergroß und wild, daß er des Landmanns Felder davongerissen hätte; aber auch nicht einen Pegelstrich niedriger, als es zum Besten war, hatte er über den Gebreiten gestanden und still seinen Dung auf die Äcker gesenkt, sodaß es ein Lachen war, wie die Fluren prangten gegen das Ende der Jahreszeit der Aussaat, und welche Fülle eingeheimst wurde im dritten Drittel. Das nächstfolgende Jahr war nicht ganz so üppig, mehr oder weniger näherte es sich dem Durchschnittlichen, es war befriedigend, ja

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