Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
mehr, auf die das Licht der Geschichte nicht fällt; aber es waren nichts als Söhne, und da das die Geraubte bitter ankam und enttäuschend – wie denn nicht auch ihren Gemahl, der ihr gern eine Tochter, wenigstens eine geschaffen hätte? – da es doch nun einmal dabei bleibt, daß der Mensch nur zeugen, aber nicht schaffen kann. Asnath war auf eine Tochter geradezu versessen, und nicht nur auf eine, sondern sie hätte am liebsten lauter Töchter gehabt. Denn begierig war sie, die Schildjungfrau wiederzugebären, die sie gewesen war; nichts wünschte sie sehnlicher als die Auferstehung des Mädchens aus dem Tode ihrer Jungfräulichkeit, und da sie in diesem Verlangen von ihrer Mutter, der Beraubten und Zürnenden, ohne Unterlaß dringend bestärkt wurde, – wie hätte nicht eine leichte, aber dauernde, wenn auch natürlich in den Schranken der Rücksicht und Zuneigung gehaltene Ehe-Verstimmung die Folge sein sollen?
    Am schlimmsten war diese vielleicht gleich am Anfang, als Josephs Ältester geboren wurde, – die Enttäuschung war namenlos, mit Fug und Recht kann man sie übertrieben nennen, und es scheint, daß etwas von dem Unwillen über die Vorwürfe, die er zu tragen hatte, sich in den Namen einschlich, den Joseph dem Knaben verlieh. »Ich habe vergessen«, so mochte er sagen wollen, »alles, was hinter mir liegt, und mein Vaterhaus, du aber und die beleidigte Mutter, ihr stellt euch an, nicht nur, als sei es dir gänzlich fehlgegangen, sondern auch noch, als ob ich schuld daran sei!« Das mag etwas von der Meinung des befremdenden Namens »Manasse« sein; aber man tut gut, hinzuzufügen, daß es mit diesem Namen und dem, was er behauptete, nur wenig ernst gemeint war. Wenn Gott den Joseph hatte vergessen lassen all seine rückwärtigen Bindungen und sein Vaterhaus, wie kam dann derselbe Joseph dazu, seinen Söhnen, geboren in Ägypten, ebräische Namen zu geben? Weil er darauf rechnen konnte, daß man im törichten Lande der Enkel solche Namen als elegant empfinden werde? Nein! sondern weil Jaakobs Sohn, mochte er auch längst mit einem völlig ägyptischen Leibrock überkleidet sein, nicht das Geringste vergessen hatte, vielmehr gerade das unausgesetzt im Sinne trug, was er vergessen zu haben behauptete. Der Name Manasse war nichts als eine Floskel der Höflichkeit und jener Rücksichtnahme, die das Gegenteil der Narrheit war, und die Joseph sein Leben lang mit gutem Erfolge übte. Es war ein vernehmbares Zugeständnis an die Entrückung, Verpflanzung und Absonderung ins Weltliche, die Gott aus doppeltem Beweggrund über ihn verfügt hatte. Der eine war die Eifersucht, der andere der Errettungsplan. Über den zweiten konnte Joseph nur Vermutungen hegen; der erste lag seiner Klugheit vollkommen offen, und diese reichte sogar aus, zu durchschauen, daß es wirklich der erste war, und daß sich in dem zweiten nur das Mittel geboten hatte, Leidenschaft und Weisheit zu vereinigen. Das Wort »durchschauen« mag anstößig scheinen – in Hinsicht auf das Objekt. Aber gibt es eine religiösere Betätigung als das Studium des Seelenlebens Gottes? Einer höchsten Politik mit irdischer Politik zu begegnen ist unerläßlich, will Einer durchs Leben kommen. Wenn Joseph dem Vater geschwiegen hatte wie ein Toter, nein, als ein Toter, all diese Jahre hin, so war es überlegte Politik, verständige Einsicht in jenes Seelenleben gewesen, was ihn dazu vermocht hatte; und mit dem Namen für seinen Ersten stand es nicht anders. »Wenn ich vergessen sollte«, will dieser Name sagen, »– siehe, ich habe vergessen!« – Aber er hatte nicht.
    Im dritten Jahr der Fülle kam Ephraim zur Welt. – Die Mutter, das Mädchen, wollte anfangs nicht einmal hinschauen, und die Schwiegermutter war mehr als verstimmt. Aber Joseph gab ihm in aller Ruhe den Namen, der da bedeutet: »Gott hat mich wachsen lassen im Lande meiner Verbannung.« – Das mochte er wohl sagen. Er fuhr, begleitet von Läufern, verherrlicht von Menfe’s Leuten mit seinem Namen Adôn, in einem leichten Wagen hin und her zwischen dem prächtigen Gartenhause, dem Mai-Sachme vorstand, und seinem Amtshause im Centrum der Stadt, wo dreihundert Schreiber arbeiteten, und sammelte in die Scheuer, daß es eine kaum noch verzeichenbare Fülle war. Ein Großer war er und eines Großen Königs Alleiniger Freund. Amenhotep der Vierte, der damals schon, zum grimmigen Verdruß des Tempels von Karnak, seinen Amun-Namen abgelegt und dafür den Namen Ech-n-Atôn (»Es ist dem Atôn

Weitere Kostenlose Bücher